COLLECTION BACCARA Band 0269
1. KAPITEL
Verkehr war für Erin Sinclair nichts besonderes, egal ob Berufsverkehr, Verkehrsstau, Verkehr bei Regen oder, wie jetzt, Verkehrschaos auf dem Weg zum Flughafen. Sydney war eine große und doch malerische Stadt mit einer berühmten Brücke und beinahe unnatürlich blauem Wasser unten am Hafen. Am Montagmorgen um acht Uhr aber war Sydney vor allem eines: verstopft.
Taxifahrer wussten das.
Ihre Fahrgäste waren spät dran gewesen, aber Erin war es gelungen, sie in Rekordzeit zum Abflugterminal zu bringen. Zum Glück hatten sie kein einziges Mal bei Rot an der Ampel stehen müssen. Sie gaben ihr ein großzügiges Trinkgeld, aber wohl eher, weil sie zu sehr in Eile waren, um auf das Wechselgeld zu warten. Für ihre Fahrgäste hatte dieser Tag bisher nicht gerade ideal begonnen, für Erin hingegen schon. Nun brauchte sie nur noch eine Tour zurück in die Stadt.
Ihr Taxistand für Limousinen war direkt vor dem Ausgang des Ankunftsterminals. Ihr Wagen war der einzige, der hier stand, aber leider war auch weit und breit kein Fahrgast in Sicht. Doch das konnte sich jeden Moment ändern, also hielt sie an, entriegelte den Kofferraum und stieg aus.
Sie war vorschriftsmäßig in Schwarz gekleidet: schwarze Stiefel, eine schmal geschnittene schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt. Den Chauffeurhut hatte sie allerdings auf den Beifahrersitz gelegt.
Der Mann, der in diesem Moment aus dem Terminal kam, sah weniger förmlich aus, obwohl ihm Schwarz zweifellos auch sehr gut gestanden hätte. Stattdessen trug er abgewetzte Stiefel, eine ausgebeulte grüne Cargohose und ein wenig aufregendes graues T-Shirt. Seine Kleidung war allerdings das Einzige an ihm, was nicht bemerkenswert schien, ganz im Gegensatz zu dem, was sich darunter abzeichnete.
Er war breitschultrig, hatte schmale Hüften und wirkte durchtrainiert. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten, und seine Gesichtszüge erinnerten an einen griechischen Gott. Allerdings wirkte er müde, müder, als es nach einem langen Flug normal war. Und er schien sehr verschlossen, was Erin nur recht war, denn sie wusste, wenn dieser Mann lächelte, wäre sie ebenso verloren wie wahrscheinlich der Rest der weiblichen Bevölkerung auf diesem Planeten.
Er sah sich kurz um und kam dann auf sie zu. Erin hob den Kofferraumdeckel. Nun war er neben ihr, und zwar so nah, dass sie direkt in seine Augen sehen konnte. Das Karamellbraun passt zu ihm, dachte Erin und griff nach seiner Leinenreisetasche.
„Das mach ich schon“, sagte er mit tiefer, leiser Stimme.
„Ist das so ’n Macho-Ding?“, fragte sie herausfordernd.
„Nun, ich würde sagen, es ist eher ein Gewichtsding“, konterte er schlagfertig. Und dabei warf er ihr einen kurzen Blick zu, der ihr bis ins Mark fuhr. „Sie sehen nicht gerade groß und kräftig aus.“
Erin strich sich eine Strähne ihres kurzen braunen Haares aus der Stirn. Sie war knapp einssechzig und recht schlank, na und? Sie wusste ja wohl selbst am besten, was sie konnte und was nicht. Was sie auf keinen Fall leiden konnte, war, wenn sie auf ihre Körpergröße angesprochen wurde!
Als er den Kofferraum wieder geschlossen hatte, war sie bereits um den Wagen herumgegangen und hielt ihm die Tür auf. Er sah erst sie, dann die Wagentür an, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, dass man ihm Autotüren aufhielt.
„Sind Sie sicher, dass Sie eine Limousine wollen?“, fragte sie ihn spitz. „Die normalen Taxis stehen da drüben.“
Er blickte zu der langen Reihe von wartenden Wagen. „Komm ich mit einer Limousine schneller in die Stadt?“
„Nein, aber bequemer.“
Da war wieder dieses angedeutete Lächeln.
„Ich kann Ihnen drei verschiedene Zeitungen und frischen Kaffee anbieten.“
„Anständigen Kaffee?“, fragte er.
„Außergewöhnlich guten.“
„Okay, Espresso, schwarz, zwei Stück Zucker“, sagte er und stieg ein. Männer waren so leicht zu durchschauen!
Sie schloss die Tür und ging um die Kühlerhaube herum zur Fahrerseite. „Wohin?“, fragte sie, nachdem sie eingestiegen war.
„Albany Street, Double Bay.“
Schön. Sie nahm ihr Handy, gab seine Kaffeebestellung auf und bog in den Verkehr ein. „Welche Zeitung? Ich habe Sydney Morning Herald, The Australien oder Financial Review.“
„Keine, danke.“
„Musik?“
„Nein.“
Okay. Er sah nicht aus, als wollte er sich unterhalten, aber sie versuchte es trotzdem. „Von wo kommen Sie
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