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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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worden; aber man riet mir, für einige Zeit aufs Land zu gehen. Und damit ich nicht aus der dienstlichen Übung komme, hat man mich nach diesem liebenswürdigen Erdenwinkel geschickt, damit ich den noch viel liebenswürdigeren Samiel fangen soll.“
    „Und ob ich sie kenne“, antwortete der Sepp. „Ich bin doch ihr Pate und auch ihr Pflegevatern.“
    „Ach so! Ist's möglich!“
    Er betrachtete den Sepp mit Augen, in denen deutlich zu lesen war, daß ihm die Pflegetochter noch viel interessanter vorkomme als der Pflegevater.
    „Freilich ist's möglich. Wollens wohl nicht glauben?“
    „Oui, ich glaube es. Ich hab gehört, daß sie von niedrigster Geburt sein soll. Äh, äh. Ist's wahr?“
    „Nein, sondern sie ist von allerhöchster Geburt.“
    „Ah! Wie ist das möglich?“
    „Weils droben in denen Alpen zur Welt kommen ist. Ist Ihnen das hoch genug?“
    „Oui! An diese Art von Höhe habe ich freilich nicht gedacht. Wenn es danach ginge, wie hoch über dem Meeresspiegel man das Licht der Welt erblickt, so würden alle Mütter auf den Chimborasso steigen, um dort das hübsche Fest ihrer Entbindung zu feiern. Was war denn ihr Vater?“
    „Ein Bayer.“
    „Unsinn, Alter! Ich meine, welches Gewerbe er trieb.“
    „Es war halt ein armer Handwerksmann, wie es im lieben Bayernland gar so viele gibt. Als er starb und die Mutter auch, hab ich mich des Dirndls angenommen.“
    „Und sie zur Sängerin ausbilden lassen? Äh – äh!“
    „Dazu reicht's bei mir nicht aus.“
    „Ja. Ich hab gehört, daß sich höchste Herrschaften für sie interessiert haben?“
    „Wui! Dera König selber hat ihr das Singen lehren lassen.“
    „Sapperment! Wie ist sie zum König gekommen?“
    „Sie zu ihm? Nein; er kam zu ihr.“
    „Querkopf! Also hat der König sie ganz zufällig getroffen?“
    „Ja.“
    „Verdammt! Wenn ich es gewesen wäre, der sie zum ersten Mal traf! Ich hätte dafür gesorgt, daß sie von keinem zweiten gefunden würde.“
    „Wie hätten's das anfangt?“
    „Ich hätte sie entführt und versteckt.“
    „Ja, die Leni, die ist die richtige zum Verführen. Wann's davon zu ihr sprochen hätten, so hätten's für die Maulschellen nicht zu sorgen braucht.“
    „Sapperment! Ist sie giftig?“
    „Nein. Sie ist eine Seele von einem Dirndl; aber tun darf man ihr nix.“
    „Hat sie, als sie noch Dirndl war, auch einen Buben gehabt?“
    „Ja.“
    „O weh! Was war er?“
    „Wildschütz.“
    „Alle Teufel! Die Geschichte wird weiß Gott immer interessanter. Jetzt mag sie wohl nichts mehr von ihm wissen?“
    „Nein, sondern er mag nix von ihr hören.“
    „Mensch! Halbgott! Affe! Bist du des Teufels!“
    „Teufel! Mensch! Bist etwa ein Affe! Wozu brauchen denn Sie das alles zu wissen?“
    „Weil ich mich riesig für sie interessiere.“
    „So! Weiter nix?“
    „Was verlangst du weiter, zürnender Zeus?“
    „Haltens den Schnabel mit diesen fremden Worten. Sie sind zu nix nütze. Redens deutsch, daß man sich nicht mit ihnen zu schämen braucht.“
    Der Graf wußte nicht, wie er diese Lektion aufnehmen solle. War sie ein Ausfluß eines kindlich unbefangenen, derben Biedersinns, oder sprach aus dem Alten nur eine berechnende Unverschämtheit?
    Aber der Sepp hatte ein so ernstes, eifriges Gesicht gemacht, daß der Offizier gar nicht dazu kam, ihm bös zu werden. Er erklärte ihm:
    „Ich kenne nämlich die Mureni.“
    „So! Habens mir ihr sprochen?“
    „Ja. Auf einer Soiree wurde ich ihr vorgestellt.“
    „Ja, diesen Schnickschnack muß sie jetzunder besuchen; aber gern tut sie es nicht etwa. Wann ich mal einige Tage bei ihr bin, so kommt's gar nicht aus dem Haus.“
    „So! Was tut sie da?“
    „Was soll's tun? Sie zieht ihren kurzen Alpenrock an, setzt ihr kleines Sennerhüterl aufi und dann sind wir beisammen, und ich muß verzählen von allem, was ich inzwischen derlebt und derfahren habe.“
    „Kurios!“
    „Das ist gar nicht kurios! Verstehen 'S! Ich wollt's der Leni gar nicht raten, wann's mir stolz werden wollt und die Alp vergessen und ihre frühere Armut und vielleichten gar auch noch den alten Wurzelsepp.“
    „Hm! Aber wenn du sie besuchst, stören darfst du sie trotzdem nicht?“
    „Stören? Wie könnt der Sepp sie stören? Nein, uns darf niemand stören. Sie schließt alles zu, daß niemand herein kann.“
    „Aber wann nun vornehmer Besuch kommt!“
    „Vornehm? Was ist vornehm?“
    „Nun, zum Beispiel ein Graf?“
    „Den tut sie einfach zur Treppe hinunterschmeißen lassen.

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