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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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willst, so geht's nach rechts.“
    „Ach so! Es will alles gelernt sein, sogar das Fahren.“
    „Und doch geht's dabei wie bei der Liebe, man fahrt zuweilen schief.“
    „Ja, das habe ich an mir gemerkt. Na also, nichts für ungut! Lebt wohl.“
    Ein allgemeines fröhliches Lebewohl wurde ihm nachgerufen, als er jetzt mit seinem Klepper davon fuhr.
    „Der Kerl ist nicht so schlimm, wie ich dachte“, lachte der Sepp. „Aber ein Hasenfuß ohnegleichen – bei seiner Größe und Stärke. Aber heut geht's hier grad wie bei einem Bienenstock. Kaum ist einer fort, so kommt dafür ein anderer. Wer kommt denn dort geritten?“
    „Das ist der Herr Offizier, welcher bei uns wohnt“, erklärte der Knecht.
    „Welchen Rang hat er?“
    „Oberleutnant.“
    „Und wie heißt er?“
    „Graf von Münzer.“
    „Ah, hm, hm, hm!“ nickte der Alte. „Da werd ich nun endlich Platz machen.“
    „Kannst sitzen bleiben“, bedeutete ihm der Bauer.
    „So kommt er nicht her?“
    „Er wird herkommen; aber er hat Platz. Sein Diener bringst stets einen weichen Lehnstuhl getragen.“
    „Aber ich bin ihm nicht vornehm genug.“
    „Wannst ihm nicht paßt, so mag er fortbleiben. Du bist mir lieber als der Graf. Nicht wahr, Kätherl?“
    „Ja“, antwortete sie.
    Sie konnte nämlich den Oberleutnant nicht leiden. Warum? Er bekümmerte sich nicht um sie. Ihre Schönheit war ihm etwas so ganz und gar Gleichgültiges, daß sie sich ärgerte, so oft sie ihn erblickte.

ZWEITES KAPITEL
    Die Wette
    Als der Oberleutnant herankam, hielt er sein Pferd an, bevor er in den Hof einritt, und musterte die Gesellschaft.
    Er war eine lang aufgeschossene, hagere Gestalt mit spitzer Nase, breitem, lippenlosem Mund. Sein Haar war hinten in einem scharfen Strich abgeteilt. Die Spitzen seines langen, aber dünnen Schnurrbarts standen steif empor. Ein Monokel war in das rechte Auge geklemmt.
    Er hatte ein höchst kriegerisches Aussehen. Er trug den Degen, in dessen Koppel zwei Revolver steckten. Am Sattel war außerdem ein Doppelgewehr befestigt.
    Stolz, Ahnenstolz, war der ausgeprägteste Zug seines Charakters. Das war ihm leicht anzusehen. Es war auch infolgedessen eine unendliche Herablassung, welche aus seiner Stimme klang, als er jetzt die Anwesenden grüßte:
    „Bon jour, bon jour! Familie beisammen? Äh, äh! Auch Gast da, neuer Gast?“
    Er fuchtelte dabei mit der Reitpeitsche nach dem Wurzelsepp hinüber.
    „Bon jour, bon jour!“ antwortete dieser. „So neu bin ich halt nicht hier.“
    Der Offizier machte ein sehr betretenes Gesicht, daß der Alte so frei war, diese französischen Worte zu wiederholen.
    „So! Wer ist man denn? Äh, äh!“
    „Ich bin ein Handelsmann.“
    „Äh, äh! Und womit handelt man? Zum Beispiel? Vielleicht kann man bei mir etwas los werden.“
    „Sollt mich freuen, denn heut handle ich gerad mit Flöhen.“
    Dabei kratzte er sich auf dem Buckel.
    „Mille tonorres! Spricht dieser Mensch vom Ungeziefer zu mir. Scheint ein feiner Schwiemel zu sein.“
    „O nein! Schwiemeln tu ich schon; aber fein bin ich nicht.“
    „Sehe es und höre es, kann Er nicht anders antworten – äh – äh – wenn ein gebildeter Mann mit ihm spricht?“
    „O ja!“
    „Weiß er, wer ich bin?“
    „Sehr gut. Sie sind der Herr Oberleutnant Graf Arthur Wipprecht von Münzer, Hochgeboren.“
    Da fuhr der Graf noch höher, als er so schon war, in seinem Sattel auf.
    „Arthur – Wipprecht – äh – äh – stimmt auffällig. Wer hat Ihm meinen vollständigen Namen gesagt?“
    „Niemand hier.“
    „Niemand? Äh, äh! Woher kennt Er ihn denn?“
    „Die gnädige Komtesse, Fräulein Schwester, hat ihm mir nannt.“
    „Was! Er kennt meine Schwester?“
    „Sehr gut.“
    „Woher denn eigentlich?“
    „Oh, ich hab ihr gar manch ein Schnadahüpfl auf der Zither vorspielt.“
    „Er? Meiner Schwester? Der Komtesse?“
    „Jawohl!“
    „Wer ist Er denn eigentlich, äh, äh? Wie ist sein Name?“
    „Ich heiße Josef Brendel. Gewöhnlich aber werd ich der Wurzelsepp nannt.“
    „Wurzelsepp! Verdammt wurzlicher und knolliger Name. Aber freut mich, freut mich. Kenne dich bereits, alter Schwede! Äh, äh!“
    „Sie mich? Woher wollens mich kennen?“
    „Eben von meiner Schwester. Sie hat mir von dir erzählt. Hat viel Wohlgefallen an dir gefunden. Sollst ein sonderbarer Kauz sein. Ist's wahr? Äh, äh!“
    Dies äh, äh war jenes langgezogene, eigentümliche Räuspern, welches manchen Offizieren eigen ist. Bei Angehörigen anderen

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