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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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indem sie sich zu dem Sonnenscheinchen niederbog und es auf die Wange küßte. „Welch eine Maskerade! Wer hat dich denn so angezogen?“
    „Ich und das ‚Majörle‘“, antwortete das Kind.
    „Und Großmutter hat geholfen?“
    „Nein, die schläft. Sie hatte den Schreck in allen Gliedern. Da bin ich auf den Stuhl gestiegen und habe den Schlüssel geholt. Der Regenschirm stand hinterm Kanapee.“
    „Und du?“ wandte sich die Frau Major an den Blessierten. „Wo sind denn alle diese Wunden her?“
    „Vom Pachthofer!“ antwortete er.
    „Dem soll es schlecht gehen! Wir lassen ihn in das Gefängnis stecken!“
    „Nein!“
    „Warum nicht?“
    „Ich habe es auch gesagt, aber Sonnenscheinchen will nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Weil – weil – nun, weil das Sonnenscheinchen eben nicht will! Und da habe ich versprochen, daß ich den Pachthofer laufen lassen werde. Siehst du, daß er mich in den Hals gestochen hat?“
    „Freilich wohl. Der Verband ist ja ganz blutig.“
    „Das ist bloß nur Himbeersaft“, erklärte das Sonnenscheinchen. „Wir haben noch eine halbe Flasche voll. Die steht draußen im Gewölbe.“
    „Und die Watte?“
    „Die ist aus meiner Bettdecke. Sie hat ein Loch. Ich stopfe sie wieder hinein.“
    Alles lachte.
    „Aber die Verwundung am Kopf“, fuhr die Frau Major fort, „die ist bedenklich!“
    „Ja, das ganze Ohr ist weg!“ nickte das Sonnenscheinchen. „Wir haben es zugeklebt.“
    „Womit?“
    „Mit Papier, Wasser und Kartoffelmehl. Das ist übrig geblieben von den Klößen heut'. Es war noch in der Futterschüssel für die Ziege.“
    Wieder ertönte allgemeines Lachen.
    „Und der rote Flanell hier am Bein?“ lautete die weitere Erkundigung.
    „Das ist der alte Rock von meiner Mutter. Sie hat ihn zertrennt. Ich bekomme einen neuen daraus.“
    Da richtete sich die Frau Major wieder auf und fragte Paule:
    „Sie müssen solche abgebrauchten Sachen umarbeiten? Reicht Ihr Einkommen nicht zu, neue zu kaufen?“
    „Man will doch vorwärtskommen“, antwortete die Gefragte. „Man muß etwas zurücklegen für die alten Tage. Da muß man sparsam sein. Und wenn man es richtig macht und zufrieden ist, wird auch das Alte wieder neu.“
    Da richtete die Frau Major einen langen, fragenden Blick auf ihren Mann. Er verstand sie und nickte. Hierauf reichte sie der Paule die Hand hin und sagte:
    „Sie denken brav, Frau Felber. Es wird wohl bald auch zu einem neuen Röckchen reichen für Ihr Sonnenscheinchen. Jetzt setzt euch nieder, Kinder, bis wir hier fertig sind!“
    „Ich kann doch nicht“, antwortete das ‚Majörle‘, auf sein Bein deutend.
    „Da will ich helfen“, erbot sich Felber.
    Er kauerte sich zum Knaben nieder, um ihn von den Schienen, vom Flanell und Werg zu befreien. Als dies geschehen war, untersuchte er auch den Verband des Kopfes. Da stand es freilich schlimm.
    „Das kann stundenlang dauern, wenn es nicht schmerzen soll“, sagte er. „Das Kartoffelmehl hat sich mit dem Haar verkleistert und ist ganz hart geworden. Es muß langsam aufgeweicht werden.“
    Schon wollte der Herr Major eine ernste Miene machen, da aber wußte das Sonnenscheinchen guten Rat.
    „Das ‚Majörle‘ bleibt bei uns“, sagte es. „Wir halten die ganze Nacht den Kopf unter den Wassertrog, da ist das Mehl morgen früh wieder herunter.“
    Da konnte der Gutsherr wieder lachen.
    „Angenehme Situation“, sagte er. „Will doch selbst mal nachschauen, wie es mit dieser schweren Wunde steht.“
    Er untersuchte den Verband und sah sich dann gezwungen, einzugestehen:
    „Der Junge leidet allerdings an einer geradezu urweltlichen Verkleisterung. Ich bin überzeugt, daß wir wenigstens drei bis vier Stunden warme Umschläge machen müssen, um ihn von den Überresten der Klöße zu befreien. Wo ist der Wirt?“
    Der war im Gastzimmer. Er kam auf diesen Ruf herbei.
    „Sagen Sie dem Kutscher, daß er ausspannen soll!“ wurde ihm befohlen. „Wir bleiben heute bei Ihnen. Im Gutshof zu wohnen, ist für die gegenwärtigen Umstände unmöglich. Da muß erst ein neuer, ehrlicher Pächter her, der kein solcher Raufbold ist wie dieser hier.“
    Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit wieder auf den Pachthofer gelenkt, der während der ganzen Kinderszene bewegungslos an der Wand gelehnt hatte. Die beiden Worte ‚Handschellen‘ und ‚Gefängnis‘ hatten ihm angst gemacht. Er wußte recht wohl, daß es nur auf den Gutsherrn ankam, wenigstens das zweite dieser Worte wahrzumachen und war zu einem

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