8 Tage im Juni
BegrüÃungshecheln und ihr wurde warm ums Herz. Egal, wann sie nach Hause kam, Rintintin war immer zur Stelle. »Ja, da bin ich, mein Guter«, begrüÃte sie den alten Schäferhund und streichelte ihm den Kopf. Erst dann machte sie das Licht an. Sofort kugelten die Katzenbabys vor ihre FüÃe, maunzten um die Wette und tapsten nach den Schleifen ihrer Ballerinas. »Schluss jetzt«, flüsterte sie. »Es ist mitten in der Nacht, spielen könnt ihr morgen wieder.« Sie packte die zwei behutsam am Nacken und legte sie in das Katzenkörbchen neben dem Badezimmer. Leise öffnete sie die Tür zum Kinderzimmer. Joe-Joe umklammerte mit beiden Armen sein Kopfkissen und schlief fest. Im Wohnzimmer allerdings war das Schlafsofa ihrer Mutter zwar ausgezogen, aber leer. Jenny fand Jasmin in der Küche, wo sie im Dunkeln saà und ein Kaninchen streichelte, das auf ihrem Schoà saÃ. »Warum schläfst du nicht, Mama?«, fragte Jenny und knipste das Licht an.
»Theo Kaminski ist mit besoffenem Kopf auf die Pfote von Träumerchen getrampelt. Da hat Ria mir das arme Tierchen direkt vorbeigebracht. Ich habâs geschient, mal sehen, ob es wieder auf die Beine kommt.« Jasmin deutete auf die verbundene rechte Vorderpfote.
Jenny nickte. Alle aus der Roten Burg brachten ihre verletzten Tiere zu ihrer Mutter. Sie war billiger und besser als ein studierter Tierarzt und konnte echte Wunder vollbringen. »Aber deswegen musst du doch nicht die ganze Nacht aufbleiben« meinte Jenny. »Du kannst Träumerchen doch neben dein Bett in einen Karton legen.«
»Wenn du so spät nach Hause kommst, kann ich sowieso nicht gut schlafen. Hast du was gefunden?«
Jenny schüttelte den Kopf. »Es hat aus Kübeln geschüttet. Keiner raucht bei so einem Wetter im Freien.« Wenn sie U-Bahn fuhr, suchte sie für ihre Mutter in den Aschenbechern vor den Haltestellen nach in Eile weggeworfenen, nur angerauchten Zigaretten. Manchmal entdeckte sie dabei auch eine ganze, die unbemerkt aus einer Schachtel gefallen war.
Jasmin nickte fahrig und Jenny durchwühlte die kleine Vorratskammer nach einem Schuhkarton. Sie fand einen und polsterte ihn mit ein paar Blatt Haushaltsrolle. Dann nahm sie das Kaninchen vorsichtig vom Schoà ihrer Mutter und bettete es in die Kiste. »Ich stell ihn dir neben dein Bett«, sagte sie. »Damit du jetzt schlafen gehen kannst.« Aber die Mutter rührte sich nicht. »Ich brauche unbedingt noch eine Zigarette, Kleines« quengelte sie. »Sonst kann ich nicht schlafen.«
Jenny schloss die Augen, um Jasmins zitternde Hände nicht zu sehen. »Mama, wir haben kein Geld mehr für Zigaretten.«
»Doch. Ria hat mir fünf Euro gegeben, für Träumerchen.« Jasmin hielt ihr den Geldschein hin.
»WeiÃt du, wie spät es ist? WeiÃt du, dass ich um die Uhrzeit bis zur Tanke am Clevischen Ring laufen muss?«
»Ich würde ja selbst gehen, aber du weiÃt doch, dass ich nachts nicht mehr vor die Tür kann«, flüsterte Jasmin. »Wenn du nicht gehst, muss ich aufbleiben, bis um sechs in der Früh Gürkan unten im Hof den Kiosk aufmacht. Weil schlafen kann ich ohne Zigaretten auf gar keinen Fall.«
Jenny biss die Zähne zusammen und schluckte die Mischung aus Sorge und Wut herunter, die in ihr hochkochte. Wut, weil sie nach dem Gewaltmarsch nicht mehr vor die Tür wollte. Sorge, weil sie wusste, dass Jasmin bei Schlaflosigkeit immer von Ãngsten geplagt wurde. Und wenn die Ãngste die Mutter ein paar Nachtstunden traktiert hatten, dann musste sie wieder diese Pillen nehmen, die sie so dumpf machten. »Clevischer Ring kannst du knicken, aber ich sehe mal beim Heimlichraucher nach.«
»Du bist ein Schatz, Kleines!« Ihre Mutter stand auf und schloss Jenny in ihre Arme.
Jenny hätte heulen mögen, weil diese Arme ihr schon so lange keinen Schutz mehr gewährten. Stattdessen schlich sie sich wenig später wieder die knarzenden Stufen hinunter. Vielleicht fand sie tatsächlich einen Zigarettenstummel vor dem Haus IVb. Dort wohnte der Heimlichraucher, der oft hastig vor der Tür eine austrat, weil seine Frau ihm verboten hatte, drinnen zu rauchen. Wenn sie da nichts fand, könnte sie die Tartaren um eine Kippe anschnorren. Die qualmten wie die Schlote, scheuchten aber jeden weg, der in ihre Nähe kam. Vielleicht hatte Jenny Glück. Und wenn nicht, dann war Schluss.
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