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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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dem Schlafzimmer.
    Ich hörte, dass er sich auszog und ins Bett ging. Ich streifte meine Unterwäsche über und wartete, bis sein Atem tief und gleichmäßig geworden war, ehe ich neben ihm unter die Decke glitt.
    Ich war vier Jahre alt, als ich zum ersten Mal Vivaldis Vier Jahreszeiten hörte. Meine Mutter und meine Geschwister waren übers Wochenende zu meiner Großmutter gefahren. Ich hatte mich standhaft geweigert, ohne meinen Vater, den die Arbeit festhielt, mitzukommen. Als meine Eltern mich ins Auto setzen wollten, hatte ich mich an ihm festgeklammert und so bitterlich geweint, dass er schließlich nachgab und ich bei ihm bleiben durfte.
    Statt mich in den Kindergarten zu bringen, nahm mich mein Vater zur Arbeit mit. So verbrachte ich drei herrliche Tage in beinahe grenzenloser Freiheit. Ich tollte in seiner Werkstatt herum, kletterte über Reifenstapel, deren Gummigeruch ich tief einsog, und sah ihm zu, wie er Autos aufbockte und darunterglitt. Nur seine Hüfte und seine Beine ragten noch hervor. Ich stand immer dicht daneben, denn ich hatte schreckliche Angst, eines Tages könnte der Wagenheber versagen, das Auto auf ihn stürzen und ihn in zwei Stücke zerhacken. In meiner kindlichen Einfalt war ich fest davon überzeugt, dass ich ihn retten könnte – dass ich im Moment der höchsten Gefahr die Kraft finden würde, das Auto für die paar Sekunden zu halten, die er brauchte, um sich in Sicherheit zu bringen.
    Nach der Arbeit stiegen wir in seinen Laster und machten uns auf den langen Heimweg. Unterwegs hielten wir an, um uns Eis zu kaufen, obwohl es mir sonst verboten war, vor dem Abendessen Süßes zu essen. Mein Vater nahm immer Rum-Rosine, ich entschied mich jedes Mal für eine andere Sorte oder ließ mir auch mal zwei halbe Kugeln verschiedener Geschmacksrichtungen geben.
    Einmal bin ich mitten in der Nacht aufgestanden, weil ich nicht schlafen konnte, und wanderte ins Wohnzimmer, wo ich meinen Vater im Dunkeln auf dem Rücken liegen sah. Es sah aus, als würde er schlafen. Er hatte seinen Plattenspieler aus der Garage geholt, und ich hörte das leise Rauschen der Nadel bei jeder Drehung der Platte.
    »Hallo, mein Töchterchen«, sagte er.
    »Was machst du?«, fragte ich.
    »Ich höre Musik«, antwortete er, als wäre es die normalste Sache von der Welt.
    Ich legte mich neben ihn, spürte die Wärme seines Körpers und roch schwach eine Mischung aus neuem Gummi und scharfer Handwaschpaste. Mit geschlossenen Augen lag ich mucksmäuschenstill, und bald verschwand der Boden unter mir, und es existierte nichts mehr auf der Welt außer mir und den Klängen von Vivaldis Vier Jahreszeiten .
    Danach wollte ich die Platte wieder und wieder hören, ich bettelte meinen Vater deswegen ständig an. Vielleicht auch, weil ich glaubte, ich wäre nach einem der Sätze benannt worden, was meine Eltern mir aber nie bestätigten.
    Meine kindliche Begeisterung war so groß, dass mein Vater mir zum nächsten Geburtstag eine Geige kaufte und mir Unterricht geben ließ. Ich war immer ein ziemlicher Wildfang gewesen, ein Kind, das sich nicht gerne etwas sagen ließ, bestimmt keines, von dem man denkt, dass es freiwillig Musikstunden nimmt. Und doch wollte ich von ganzem Herzen, mehr als alles andere auf der Welt, so spielen lernen, dass es mich davontrug wie an jenem Abend, an dem ich zum ersten Mal Vivaldi gehört hatte. Von dem Augenblick an, als meine kleinen Hände zum ersten Mal Bogen und Instrument berührt hatten, übte ich praktisch in jedem wachen Augenblick.
    Meine Mutter machte sich deswegen allmählich Sorgen und wollte mir die Geige für einige Zeit wegnehmen. Ich sollte mich mehr der Schule widmen und vielleicht auch mehr mit anderen Kindern unternehmen, doch ich weigerte mich standhaft, das Instrument aufzugeben. Mit dem Bogen in der Hand hatte ich das Gefühl, ich könnte jeden Moment davonschweben. Ohne meine Geige war ich ein Nichts, nur ein ganz gewöhnlicher Mensch, der an den Boden gefesselt war wie ein Stein.
    Das Anfängerrepertoire ließ ich rasch hinter mir. Als ich neun war, konnte meine verdutzte Musiklehrerin nicht mehr mithalten.
    Mein Vater organisierte mir zusätzlichen Unterricht bei einem älteren Niederländer, Hendrik van der Vliet, der zwei Straßen weiter wohnte und nur selten das Haus verließ. Er war ein großer, erbärmlich dürrer Mann, der sich eckig und ungelenk wie eine Marionette bewegte und stets gegen etwas Zähes anzukämpfen schien, wie ein Grashüpfer, der in den Honigtopf

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