~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
klingt gemütlich aus. Es gibt keine Pasta heute. Besser als so kann ein Tag kaum enden. Leider ist die Nacht recht unruhig und es ist viel zu hell, da im Büro die ganze Nacht lang Licht brennt und mein Bett sehr nah an ebendiesem steht. Lange warte ich darauf, dass es noch ausgeschaltet wird, doch irgendwann sehe ich ein, dass es keinen Sinn hat länger zu warten und versuche so gut es geht zu schlafen.
23.09.08 25km nach Palas de Rei - Gedankenscherben
Érika nimmt sich wieder ein Taxi um mich später in Palas de Rei zu treffen. Freiheit umweht meine Schritte. Ich muss immer wieder auch alleine gehen, sonst verliert die Schönheit sich in den Gemeinsamkeiten. Nach wie vor sind viele Pilger unterwegs, die vielen Menschen irritieren mich manchmal, manchmal spornen sie mich an. So viele Möglichkeiten jemanden zu begegnen, so viel Sehnsucht nach Ruhe – und gleichzeitig das stete Verlangen immer und immer weiter zu gehen.
Ich lege eine zügige Geschwindigkeit vor um heute Nachmittag etwas Zeit zum Ausspannen zu haben. Zeit ist auch hier noch bedeutend, wenn auch in einer ganz anderen Form. Seit Érika mit mir geht komme ich meistens erst recht spät an, so dass der Rest des Tages allein schon mit täglichen Notwendigkeiten wie waschen, einkaufen und kochen gefüllt ist. Ich möchte auch wieder einmal Menschen kennenlernen, den Tag ausklingen lassen in einer Stimmung die einem Urlaub würdig ist.
Durch die Müdigkeit bin ich verschlafen und meine Aufmerksamkeit ist nicht sehr hoch, sogar ein wenig schwindelig ist mir und die schmale und nachgebende Brücke, die für meinen Geschmack viel zu hoch angebracht ist, überlebe ich nur knapp. Danach überhole ich mindestens 40 andere Pilger, von denen manche nach dem ersten Anstieg schon völlig außer Atem sind. Hier wird mir wieder einmal bewusst, wie sehr meine eigene Kondition durch den Jakobsweg schon gestiegen ist. Ich habe mehr gelernt als nur geistiges. Auch körperlich bin ich stärker geworden, ausdauernder. Einfach dadurch, dass ich immer weiter gegangen bin, allen Schmerzen zu Trotz. Ich würde diese Methode niemandem empfehlen, denn noch Jahre später denke ich ungern zurück an die Schritte, bei denen mir Tränen in die Augen schossen. Nicht aufzugeben schmerzt dem Köper sehr. Aufzugeben schmerzt (mir) die Seele. Ich bin glücklich sagen zu können, dass ich mich selbst niedergerungen habe. Viel später, als ich schon längst wieder zuhause bin, höre ich häufig, dass ich auch viel abgenommen hätte. Hier und jetzt merke ich noch nichts davon, komme ich doch nicht einmal auf die Idee darauf zu achten.
In der ersten Bar am Weg versuche ich einen Cafe con Leche zu trinken. Aufgrund der Pilgermassen ist die Bar aber so voll, dass es wahrscheinlich eine Stunde dauern würde bis ich an meinen Kaffee komme. Glücklicherweise treffe ich meine beiden Kanadierinnen wieder, die ich inzwischen aus gutem Grund meine ‚canadian mothers’ nenne. Meine Mütter aus Kanada. So sehr wie diese beiden wächst mir sonst niemand auf diesem Weg ans Herz. Da ich sie schon verloren auf den Weiten des Weges geglaubt habe, freut sich mein Herz in einem Maße, dass es keine rechten Worte kennt. Sie noch einmal zu sehen ist ein Geschenk. Womit verdient, ist unbekannt. Ich sehe keinen Grund. Umso größer ist mein Glück.
Einen Schluck Kaffee haben sie noch, für mich, wie aufgespart, in der nächsten Bar kaufe ich eine Cola um fit zu bleiben. Natürlich gehe ich mit den beiden. Gemeinsam lästern wir ein wenig über Neulinge und Touristen, die wir auf dem Weg sehen. Eine Dame spielt die ganze Zeit laute Musik auf ihrem Handy während sie läuft. Ich werde fast wahnsinnig. Obwohl sie nur fünf Minuten lang in meiner Hörweite ist.
Warum wir uns wieder trennen, meine Begleiterinnen und ich … heute wo ich schreibe weiß ich es nicht mehr. Es muss ein seltsamer Tag gewesen sein, dass ich mich nicht mehr erinnere. Und es schmerzt. Verlorene Stunden die ich nicht wiederholen kann. Die Lettern in meinem schwarzen Notizbuch verschwimmen. Wie konnte ich diese Momente vergessen? Zerbrochen liegen meine Gedankenscherben irgendwo auf dem Weg.
Die Herberge in der Stadt ist sehr voll und die etwas teurere Privatherberge ist auch schon bis auf ein Bett belegt. Die Kanadierinnen waren schon vor uns da und empfehlen eine kleine Herberge, die Doppelzimmer sehr günstig vermieten. So ist es schon wieder ein Doppelzimmer in dem ich unterkomme und langsam vermisse ich den Kontakt
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