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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Bobbys und Zorbians Gastfreundschaft ausnutzen. Als ich beim ersten Gatter ankam, tat ich wie geheißen, drückte aufs Knöpfchen und sagte artig, wer ich bin. „Geht klar, Mensch! Kenne dich doch“, knurrte der Lautsprecher, also durfte ich die beiden nächsten Tore ohne Erlaubnis auf- und wieder zumachen. Bobby saß unter der Kriegsflagge der Berufsarier, als ich die Tür öffnete. Er ließ den Kopf hängen, schaute auf, als ich eintrat, aber winkte gleich ab und meinte „später.“ Dann fiel ihm wohl ein, daß er etwas für mich hatte.
    „Pass auf – so was Schönes sieht man selten", versprach er und warf einen dicken braunen Umschlag auf den Tisch. Ich riss ihn auf und staunte über wunderschöne Pässe mit den Fotos Rickys und Marisols wie meinem, natürlich, einen Führerschein für sie und einen für mich, Geburtsurkunden, die es in sich hatten, und noch verschiedene Ausweise, die der Mensch so ansammelt.
    Das Schönste am Ganzen war, daß alle drei den gleichen Nachnamen hatten. Mit den entsprechenden Heiratsurkunden aus Las Vegas (netter kleiner Touch, fand ich) und Rickys Geburtsbescheinigung. Die sogar seinem tatsächlichen Geburtstag sehr nahe kam; allerdings hatte Bobby ein, wie er sagte, „freundlicheres“ benachbartes Sternbild ausgesucht, „mit einem sagenhaften Aszendenten.“ Hat lange in Cornwall gelebt, der Bobby.
     
    Wir spazierten oft übers Grundstück in den nächsten Tagen, gingen über Wiesen und mieden die Frucht dieser seltsamen Plantage wie die Pest, denn man wusste nie, ob nicht doch Hubschrauber überm Bergrücken auftauchen würden und in sekundenschnelle auf den Feldern niedergehen, ihre Ladung fanatischer Dopegegner ausspeien und alles verhaften, was nicht schnell genug laufen kann.
    Wir spazierten durch den Wald, ruhten gelegentlich wo die Aussicht am schönsten war, und erzählten viel.
    Bobbys Frohsinn war am Tag meines Winstonbesuches furchbar ins Wanken geraten, als er einen Anruf von Zorbians Arzt bekam. Zorbian litt an einer Krankheit, die Bobby nicht näher definieren wollte, die den alten Mann aber in nicht allzu ferner Zukunft dahinraffen würde. Er fuhr sofort nach Hause, die paar Meilen bis zum Haus am Meer, aber Zorbian bat darum, allein gelassen zu werden. Ein paar Tage wenigstens, meinte er, damit er mit sich selber ins Reine käme. Also war Bobby jetzt wieder hier oben, grämte sich und wartete auf Zorbians Anruf. Ihm taten unsere Gespräche gut, sagte er.
    Mir brachten sie auch etwas. Aus Bobbys Reminiszenzen war herauszuhören, daß sich die beiden alten Knaben wirklich liebten. Seit vielen Jahren, ohne Nörgelei, Eifersucht und Streit, an denen so viele Partnerschaften zerbrechen. Sie waren ein Paar, ein ungleiches zwar, aber ein fest verschweißtes. Sie taten mir unendlich leid. Zorbian, weil sein Arzt ihm das Todesurteil geben musste, Bobby, weil er fortan einsam leben würde.
     
    Ich war heilfroh über Marisol und Ricky. Ich konnte mich glücklich schätzen und tat es auch. Wer hat schon soviel Glück, von Leuten umgeben zu sein, die ihn lieben und die er liebt? Ein seltenes Geschenk des Schicksals.
     
    Am Sonntag rief Zorbian an, Bobby solle doch bitte wieder heimkommen. Der brauchte keine fünf Minuten, um sich von mir und den Ariern zu verabschieden, ins Auto zu steigen und abzurauschen. Schade. Ich mochte den Fälscher furchtbar gern, und ich war ziemlich sicher, daß ich ihn nicht mehr sehen würde. Denn für uns war es Zeit, das ungastlich gewordene Land zu verlassen.
    Von Winston hatte ich nichts gehört, aber ich erwartete ja auch nicht, daß er Wort hielt. Die letzten Tage hatte ich Auskunft über die Lebensbedingungen verschiedener Länder eingeholt, hatte mich über Kulturen, Städte, Landschaften informiert und war irgendwann zur Erkenntnis gekommen, daß so ziemlich egal ist wo man lebt. Die Bedingungen glichen einander oft bis aufs Haar. Unterschiede, wie man sie noch vor wenigen Jahren beobachten konnte existierten nicht mehr.
    Ein Resultat der ganzen Internationalisierung war offenbar die kulturelle Homogenisierung, jedenfalls in den westlichen Ländern. Und in einem der gleichgeschalteten Euroländer wollte ich bleiben. Der Orient reizte mich nicht, Afrika war nicht mein Ding, Australien sagte mir noch nie zu, höchstens noch Ozeanien, aber ausgerechnet die Südseeinseln schoben noch strenge Riegel vor den Langzeitaufenthalt. Nur einer davon war marktbedingte Preisentwicklung.
     
    Nach Mexiko konnte ich in nächster Zeit nicht

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