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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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    1 Zäsur
     
     
    Zeitlebens hörte ich, dass nur Reichtum wirklich glücklich macht. Nun war ich seit fünf Jahren steinreich, und das Leben hing mir zum Hals raus.
    Dieser Junimittwoch begann genauso langweilig wie jeder Tag im mittleren Abschnitt der tausend Meilen langen Wüstenhalbinsel Baja California. Schon morgens um sechs warf eine grellweiße Sonne lange Schatten übers Meer. So früh am Tag fing ich an zu schwitzen und würde damit nicht aufhören, bis ich mir spätabends endlich die Rübe vollgeballert hatte. Nur im Suff zu ertragen, dieses Scheißbaja. Das hatte ich leider viel zu spät geschnallt.
    Seit drei Wochen war Julie verschwunden, und seit drei Wochen wartete ich nicht mehr, bis der Abend kam, ehe ich mir einen reinkippte. Scheiß darauf, den Schein zu wahren; ich begann meine Tage mit einem hohen, eiskalten Corona, nippte zwischendurch am Pulque, am Hausgebrannten, mit dem mich Juana Guadalupe regelmäßig versorgte, und ab und zu aß ich mal was, um bei Kräften zu bleiben. Schmeichelte der Figur, die Lebensweise. Das Wohllebefett war weggebrannt, meine Surferkondition aus jüngeren Tagen im Norden hatte ich wieder. Nicht die Muskeln, aber Arsch und Rippen.
     
    Seit fünf Jahren lebten wir nun hier in Mexiko, seit fünf Jahren war ich Hotelbesitzer, Tauchlehrer und Berufssurfer. Drei Spitzenjobs nebeneinander, wovon ich immer geträumt hatte. Aber seither nahm jeden Tag die Angst um ein Promillchen zu, schaute ich jeden Tag öfter über die Schulter, mied den Postboten und beantwortete nur noch widerwillig das Telefon. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Vor lauter Suff wusste ich nicht, was ich machen sollte, aber mir war klar, dass es nicht lange so weitergehen konnte. Eine schnelle Kugel vielleicht, oder einfach nicht mehr auftauchen. Was mich trotz der Hitze doch zum Lachen reizte. Denn ich tauchte schon ewig nicht mehr. Zuviel Stress. Während die paar Tauchschüler allein losschwammen, saß ich lieber in der Kajüte und schluckte.
     
    Die trüben Gedanken umgaben mich wie dunkle Sturmwolken die Isla Cedros. Ich hatte nach dem Frühstück unseren alten Trawler klargemacht. Am Vorabend war eine Schule Thunfisch gesichtet worden und ich hatte in meinem Tran geprahlt, ein paar fette Albacore fürs Grillfest zu fangen. Also bin ich raus, hängte Haken über Bord, hatte eine Kühltasche voll Flüssigem auf der Brücke verstaut und ließ mir bei offenen Luken den Fahrtwind um die Ohren blasen.
    In der Kajüte unter mir gingen sich langstielige Makellose gegenseitig lautstark auf den Wecker und an den Kragen. Juan Cortez, der sich auf dem Trawler ums Handwerkliche kümmerte, liebte seine TV-Novelas. Damit er ja nichts verpasste, drehte er den Ton des kleinen Farbfernsehers bis zum Anschlag auf, wenn er auch von der Handlung nicht viel sehen konnte. Seifenopern hören war fast so schön, wie Nachbarn belauschen. Mich störte der Krach schon lange nicht mehr.
    Deshalb wohl dachte ich, die dumpfe Explosion gehöre zur Sendung. Erst Juans Schrei ließ mich aufblicken. Der untersetzte mahagonibraune Mann hüpfte am Heck des Schiffes auf und ab und wedelte aufgeregt zum Land hin. Wo mein Hotel sein sollte, stieg ein Feuerball in den Himmel.
     
    Ich schaute auf die Uhr. Warum, weiß ich auch nicht. Es war zehn vor halb elf am Mittwoch, den 2. Juni, als mein bisheriges Leben mit einem gewaltigen Knall in den Arsch ging.

 
     
     
    02 Feuer
     
     
    Der verdammte Diesel wollte einfach nicht schneller. War ohnehin schwierig, ihn zum Laufen zu bringen, und wenn er endlich vor sich hin stampfte, brachten ihn keine zehn Pferde dazu, seine gewohnte Drehzahl zu erhöhen. Er wurde nur lauter, verfiel in einen Fußmassage-Schüttelrhythmus, soff wie ich an guten Tagen, aber er legte kaum merklich Dampf zu.
     
    Wir hatten morgens auf der Thunfischsuche die Insel hinter uns gelassen und dümpelten nun in Sichtweite des Festlandes. Trotz steter Fahrt dauerte es eine Stunde, ehe wir die Bescherung sahen. Was vom Hauptgebäude des Hotels übrig geblieben war, loderte hellrot und qualmte dunkel vor sich hin. Die Dorfbevölkerung stand auf der Strandpromenade und gaffte, die Bomberos, unsere aus fünf Freiwilligen bestehende Feuerwehr, hatten wegen des permanenten Wassermangels aufgehört, Gartenschläuche auf das zweistöckige Gebäude zu richten. Aus Guerrero Negro war der Krankenwagen gekommen, seine Staubfahne hing noch immer über der Piste am Meer. Zurückgefahren war er nicht, was entweder

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