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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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zurück; nicht, solange die Solanos noch in Tijuana regierten, solange ich auf einer Liste unerwünschter Nobodies stand. War mir zu gefährlich. Latein- und Südamerika waren mir zu unsicher, zumal einige der dortigen Länder im Ruf stehen, dem Neubürger erst mal zwecks schnellerer Eingewöhnung die Kohle abzunehmen. Das konnte ich hier einfacher haben. Osteuropa sollte lieber den Osteuropäern vorbehalten bleiben, Amerikaner waren seit dem Busch-Raubüberfall von 2003 im morgenländischen Wüstenstreifen unwillkommen und der indische Subkontinent war nun mal hoffnungslos übervölkert. Blieb also nur Westeuropa.
     
    Nachdem Bobby heimgekehrt war, verbrachte ich ein paar Tage damit, Rechtsanwälte anzurufen und den Nazis aus dem Weg zu gehen. Einer der Herrenmenschen hatte einen Narren an mir gefressen, lauerte mir regelrecht auf und umarmte mich, wenn er meiner habhaft wurde. Der Knastbruder jagte mir Angst ein; offenbar war er auf Freiersfüßen, und ich wollte unter keinen Umständen gefreit werden. Ich musste immer an die knastübliche Ermahnung denken, daß man unter der Gemeinschaftsdusche um Himmels willen die Seife nicht fallen lassen soll. Also blieb ich im Zimmer, wenn nur möglich, oder ich fuhr an den Rand der Ranch, und setzte mich dort unter einen Baum oder lehnte an einem Felsen, wenn ich meine Arbeit tat.
     
    Allmählich kam alles zusammen. Ich hatte Wong angerufen und ihn gebeten, mit der Überweiserei noch ein Weilchen zu warten. No problem, meinte er. Sein Lieblingsspruch. Ignacio hatte noch nichts von Winston gehört, wusste auch nicht, wo sich Macmillan aufhielt, aber er rief alle paar Tage beim FBI-Bullen an und hinterließ eine Nachricht, daß er zurückgerufen werden möchte. Er hielt die Ohren offen, wie er sagte, und würde mich wissen lassen, sobald er etwas erfuhr.
     
    Und dann hörte das Telefon nicht mehr auf zu klingeln. Am Donnerstagnachmittag saß ich unter einer Eiche, hatte wegen der Hitze mein T-Shirt und die Jeans ausgezogen, der Laptop zischte leise vor sich hin, Bienen brummten wie böse Kleinflugzeuge und Vögel rauschten vorüber. Das Telefon gellte in die Stille hinein, ich fuhr erschrocken zusammen und konnte gerade noch den Computer vorm Fall bewahren. Ignacio jubelte in den Hörer, ich solle alles stehen und liegen lassen und sofort zu ihm in die Mission kommen. Sofort.
    Kaum hatte ich aufgelegt, da rief Bobby an und fragte, ob ich schon die Sechsuhrnachrichten gehört habe. Nee, wie auch? „Die haben den Macmillan verhaftet, Mensch! Unsere Sorgen sind vorüber, Junge! Stell dir das vor. Zorbian sagt, wenn das so weitergeht, wird er noch hundert!“
    „Gerade rief Ignacio an, ich soll gleich mal rüberkommen. Vielleicht deshalb?“
    „Dann will ich ihm nicht das Pulver stehlen. Wollte dir nur sagen, daß du dir wegen dem keine Sorgen mehr machen musst.“
    Toll. Und dann klingelte es wieder. Ich war gerade auf dem Highway nach Paso, als Winston dran war. Der hörte sich auch ganz glücklich an. „Wo bist du?", wollte er wissen. Ich sagte es ihm. „Ich fahre auch gerade nach San Miguel, zusammen mit einem, den du auch kennst. Wir sind in einer Stunde dort. Brauchst dich also nicht beeilen. Wir sehen uns dann.“
    Vorbei die kalte Höflichkeit, vorüber das steife Gehabe. Winston war eindeutig der alte. Mir fiel ein Riesenstein vom Herzen. Ich nahm ja an, daß er positive Neuigkeiten hatte. Vielleicht wendete sich doch alles noch zum Guten. War auch Zeit. Und so kurz vorm Loch, Mensch! Ich hatte für den nächsten Dienstag drei Flugtickets nach Paris gekauft. Bis dahin wollte ich mein hiesiges Leben abgewickelt haben. Wäre ja gelacht, wenn sich jetzt doch alles in Wohlgefallen auflöst.
     
    Wie besoffen bin ich zur Mission gefahren. Sorglos. Das war ich seit Monaten nicht mehr. Ignacio stand strahlend vor der Kirchentür im Sonnenschein. Ein paar seiner Brüder schlichen um ihn herum und schauten ihn von der Seite an. War wohl nicht alltäglich, daß einer der Ihren glücklich war.
    „Mein Lieber!“ begrüßte er mich und „so was, nein, so was.“ Ich fragte, was denn nun genau sei, aber er winkte lachend ab. „Winston kommt gleich. Dann hören wir alles brühwarm. Nur soviel; wir können offenbar aufatmen. Warten wir´s ab.“
     
    Wir warteten im Innenhof bei Kaffee und Keksen. Der Backbruder hatte sie „zur Feier des Tages,“ wie er erfreut meldete, gebacken, „ganz frisch!“ und „in höchster Eile.“ Na. Sie schmeckten, die Sonne schien schräg

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