Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
Vom Netzwerk:
Planeten oder Mond beschleunigt wurde, um so tief wie nur irgend möglich in den Raum vorzustoßen. Dann musste man sich überlegen, wie man zurückkehren konnte, ohne zu sterben. Die ganze Sache wurde in einem doppelt verschlüsselten illegalen Netzwerk übertragen, das mindestens so schwer zu knacken war wie die Netze der Loca Greiga oder des Golden Bough. Vielleicht betrieben sie dieses Netz sogar. Selbstverständlich war es höchst illegal. Irgendjemand nahm Wetten entgegen. Gefährlich, aber darauf kam es ja gerade an. Wenn man zurückkehrte, war man ein gemachter Mann und konnte sich auf den Lagerhauspartys herumtreiben und trinken, so viel man wollte, reden, was man wollte, und die Hand auf Evita Jungs rechte Brust legen, und sie wich nicht einmal aus.
    Also entwickelte Néo, dem alles andere bislang ziemlich egal gewesen war, einen starken Ehrgeiz.
    »Die Leute dürfen einfach nicht vergessen, dass der Ring nichts Magisches an sich hat«, erklärte die Marsianerin. In den letzten Monaten hatte Néo viel Zeit damit verbracht, die Newsfeeds über den Ring zu betrachten. Bisher gefiel ihm diese Frau am besten. Sie hatte ein hübsches Gesicht und einen reizenden Akzent. Außerdem war sie nicht so pummelig wie eine Erderin, gehörte aber genau wie er selbst auch nicht zum Gürtel. »Wir verstehen es noch nicht richtig, und vielleicht werden noch Jahrzehnte vergehen, bis wir es wirklich erfassen. Auf jeden Fall konnten wir in den letzten zwei Jahren einige höchst interessante und aufregende Durchbrüche in der Werkstofftechnologie erzielen, die sich durchaus mit der Erfindung des Rades messen können. Im Laufe der nächsten zehn oder fünfzehn Jahre werden wir die praktische Anwendung dessen erleben, was wir aus der Beobachtung des Protomoleküls gelernt haben, und dies wird …«
    »Früchte vom verbotenen Baum«, fiel ihr der alte coyo mit dem runzligen Gesicht, der neben ihr saß, ins Wort. »Wir dürfen nicht vergessen, dass die Grundlage all dessen ein Massenmord war. Die Verbrecher von Protogen und Mao-Kwik haben diese Waffe auf unschuldige Bürger gerichtet. Der Genozid war der Beginn von allem, und wenn wir daraus Profit schlagen, werden wir zu Komplizen.«
    Der Feed zeigte den Moderator, der lächelnd den Kopf schüttelte und dem Ledergesicht widersprach.
    »Rabbi Kimble«, sagte er, »wir hatten Kontakt mit einem zweifellos außerirdischen Artefakt, das die Eros-Station übernommen und etwa ein Jahr damit zugebracht hat, sich in dem unwirtlichen Dampfkochtopf der Venus selbst zuzubereiten, um schließlich gewaltige Gebilde zu starten, die sich mittlerweile knapp außerhalb der Uranus-Umlaufbahn befinden und dort zu einem tausend Kilometer großen Ring zusammengebaut werden. Sie können doch nicht allen Ernstes erwarten, dass wir diese Tatsachen aus moralischen Gründen ignorieren.«
    »Himmlers Unterkühlungsversuche in Dachau …«, setzte das Ledergesicht an und wackelte drohend mit dem Finger, doch nun unterbrach ihn die hübsche Marsianerin.
    »Könnten wir bitte die 1940er-Jahre überspringen?« Sie lächelte dabei und meinte in Wirklichkeit: Ich bin freundlich zu dir, aber halt endlich die Klappe. »Wir reden hier nicht über Weltraumnazis, sondern über das wichtigste Ereignis der Menschheitsgeschichte. Protogen hat hierbei eine schreckliche Rolle gespielt und wurde dafür bestraft. Jetzt aber müssen wir …«
    »Keine Weltraumnazis!«, schrie der alte Coyo. »Die Nazis kommen nicht aus dem Weltraum. Sie sind mitten unter uns. Sie verkörpern die schlimmste Seite der Menschheit. Indem wir von diesen Entdeckungen profitieren, rechtfertigen wir den Irrweg, auf dem sie wandeln.«
    Die Hübsche verdrehte die Augen und blickte Hilfe suchend zum Moderator, der jedoch nur mit den Achseln zuckte, was den Alten noch weiter in Rage brachte.
    »Der Ring ist eine Versuchung zu sündigen«, rief der alte coyo. Um den Mundwinkel entstanden kleine weiße Flecken, die der Bildregisseur nicht retuschierte.
    »Wir wissen nicht, was es ist«, erwiderte die Hübsche. »Wenn man annimmt, dass es seine Arbeit ursprünglich auf einer primitiven Erde mit einzelligen Organismen verrichten sollte und auf der Venus landete, wo es ein erheblich komplexeres Substrat gab, funktioniert es wahrscheinlich überhaupt nicht, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass Versuchung und Sünde nichts damit zu tun haben.«
    »Sie sind Opfer. Was Sie ein komplexes Substrat nennen, sind die missbrauchten Leiber der Unschuldigen!«
    Néo

Weitere Kostenlose Bücher