Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Abrahams zu reiten, gab er uns den Rat uns sofort zu entfernen, falls ein solcher Kinderzug sich einem dieser Orte nahen sollte. Da rief Thar entrüstet aus: »Entfernen? Also fliehen? Das fällt uns gar nicht ein! Ich und der Effendi, wir fürchten uns nicht, und unsere Gattin fürchtet sich auch nicht, denn ich habe ihr extra gesagt, daß ich ein Held bin und daß sie sich in jeder Not auf mich verlassen kann!«
    »Ein Held?« fragte Eppstein lächelnd, indem er ihn so ansah, wie man eben Kinder anzuschauen pflegt, die sich als Helden preisen.
    Damit kam er aber bei dem Bub an den Unrechten. Der stand vom Tisch auf, trat auf ihn zu und antwortete:
    »Du lächelst über mich? Das dulde ich nicht! Ich heiße Thar, und wehe dir, wenn ich eine Rache gegen dich habe!«
    »Das würde wohl schlimm für mich?« scherzte der Jude.
    »Du lächelst immer noch? Hüte dich! Ich zähle zwar erst elf Jahre, aber es gibt in ganz Jerusalem nicht einen einzigen Vierzehnjährigen, den ich nicht schon niedergerungen habe!«
    »Hältst du etwa auch mich für einen Vierzehnjährigen?«
    »Nein. Aber wie alt bist du?«
    »Sagen wir sechzig!«
    »Sag’ meinetwegen hundert; das ist mir gleich. Paß auf!«
    Er schnellte sich an die Rückseite des Juden und legte ihm von hinten die Arme um den Leib. Ein Ruck, ein Druck, und – Eppstein saß an der Erde, grad da, wo er soeben gestanden hatte. Das war natürlich eine Folge der Schnelligkeit, mit der ihn der Bub überrumpelt hatte, aber es gehörte trotzdem eine Körperkraft dazu, die weit über die gewöhnliche eines elfjährigen Knaben ging. Dieser kehrte an seinen Platz zurück, nickte dem Juden befriedigt zu und sagte:
    »Erst hast du oben gelächelt, nun lächle unten!«
    Und Eppstein lächelte, aber ganz anders als vorher. Er sah sich nach allen Richtungen um, besonders nach der Tür, krabbelte sich langsam wieder auf und bat mit erhobener Hand und in gedämpftem Tone:
    »Pst – –! Still – –! Pst – –! Ich hoffe, wir sind verschwiegen! Wer hätte das gedacht! Du bist ein Teufelsjunge! Aber die Ehre befiehlt, daß nicht hiervon gesprochen wird! Darum verzeihe ich dir!«
    Er ging nach der Tür, öffnete sie und schaute hinaus um sich zu überzeugen, daß niemand von seinem Personal hinter ihr gestanden und vielleicht etwas gehört habe. Dann fragte er den Knaben:
    »Woher hast du denn eigentlich diese Schnelligkeit und diesen überraschenden Griff?«
    »Vom Klub der Löwen,« antwortete der Bub.
    »Was ist das? Und wie und wo?«
    »In Jerusalem. Wir Knaben haben da vier Klubs, um uns zu üben. Den Klub der Löwen; der spielt vor dem Jaffator. Den Klub der Elefanten; der spielt vor dem Damaskustor. Den Klub der Nilpferde; der spielt vor dem Stephanstor. Und den Klub der Walfische; der spielt im Siloahteich. Ihr hört, daß dies lauter starke, edle Tiere sind. Die Löwen siegen durch Schnelligkeit und Kraft des Sprunges; das habe ich hier getan. Die Elefanten treten einander nieder, was sich ganz von selbst versteht. Die Nilpferde rennen mit den Köpfen aneinander, wobei das stärkere stehen bleibt, das andere aber zusammenbricht. Und die Walfische kämpfen nur im Ozean. Der, welcher den andern untergetaucht hat, der nimmt den Mund voll Wasser und bläst es in die Luft, wie Walfische tun. Das ist der Sieg! Ich bin bei allen vier Klubs und noch niemand hat mich überwältigt. Wollen wir einmal Nilpferd machen?«
    Er senkte den Kopf, um Eppstein anzurammen. Der aber trat schleunigst zur Seite und rief:
    »Laß mich in Ruhe! Ich bin keine von diesen Bestien! Ich wollte nur warnen, aber nicht meuchlings überfallen werden! Soll ich für den beabsichtigten Ritt einen zuverlässigen Eselsverleiher bestellen?«
    »Ja,« antwortete ich. »Doch möglichst einen, der kein Christenfresser ist.«
    »Da gibt es nur einen und den werde ich kommen lassen. Es tut mir leid, daß grad heute ein solcher Tag des Hasses ist und daß man der Dame nicht einmal gestattet hat, sich auch nur das Äußere der Moschee anzusehen. Ich habe es aber stets gesagt und sage es auch jetzt wieder: Wäre der Glaube dieser Leute rein und edel, so hätten sie nicht nötig, ihre Heiligtümer vor andern zu verbergen!«
    Er entfernte sich, um nach dem Eselstreiber zu senden. Thar aber zog sein Merkbuch hervor, um sich die letzten Worte des Juden zu notieren. Sie erschienen ihm wichtig genug, behalten zu werden. Der Hammahr 10 stellte sich in kurzem ein, um unsere Bedingungen zu hören. Er sah mürrisch aus, war aber ein

Weitere Kostenlose Bücher