Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Leichtigkeit.«
    »So, weißt du ein Mittel?«
    »Ja, es hilft auf jeden Fall.«
    »Warum hast du es mir nicht gleich mitgeteilt?«
    Da zwinkerte er mich listig mit den Augen an, lachte, daß seine prachtvollen weißen Zähne glänzten, und antwortete:
    »Weil ich dir eine doppelte Freude bereiten wollte; doppelt aber erfreut das Mittel nur dann, wenn man sich vorher geschunden hat. Paß auf!«
    Er band die Mitte der Schnur in einem festen Knoten um den Schwanz der »Taube«, so daß die beiden Enden herunterhingen, und stieg in den Sattel. Wir wollten aufbrechen, um jetzt nach dem Haram Ramet el Chalil zu reiten. Meine Frau saß schon auf ihrem Tiere und ich stieg auf dasjenige, welches Thar bisher geritten hatte. Wir warteten also nur, was der Bub tun werde. Dieser ließ sich von dem Hammahr die beiden Schnurenden reichen, behielt sie aber einstweilen nur locker in den Händen.
    »Nun paßt auf, wie schnell das hilft!« sagte er. »Laßt mich voranreiten; macht Platz!«
    Wir wichen zur Seite. Da trieb er die liebe Güwerdschina an. Sie wedelte mit den Ohren und mit dem Schwanze, tat aber keinen Schritt. Da schlug er sie; es half nichts. Er brüllte sie an; er stemmte ihr die Füße in den Leib – – vergeblich. Da zog er die beiden Schnüre an. Dadurch wurde der Schwanz emporgehoben und über den Rücken des Maulesels nach vorn gestülbt. Der Bub legte sich die Schnüre um den Leib und machte einen Knoten. So waren sie also fest angespannt und konnten nicht zurück. Die Güwerdschina erschrak sichtlich. So etwas war ihr im ganzen Leben noch nicht vorgekommen! Sie bewegte die Ohren wie Windmühlenflügel. Sie wollte auch mit dem Schwanze wedeln; das ging aber nicht. Da ließ sie die Ohren hängen und dachte nach. Der Bub fügte zu dieser geistigen Anstrengung einige derbe Hiebe. Da wendete die »Taube« den Kopf nach der rechten Seite, um nach hinten zu sehen, sah aber nichts. Und sie wendete ihn nach der linken Seite, um nach hinten zu sehen, konnte aber auch hier den Schwanz nicht sehen, obgleich sie sich die größte Mühe gab, ihn zu bewegen.
    »Jetzt wird ihr himmelangst!« lachte Thar. »Sie denkt, der Schwanz sei fort. Sie glaubt, da hinten gehe etwas Fürchterliches vor. Nun wird sie laufen, was sie laufen kann!«
    Kaum hatte er das gesagt, so ließ die Güwerdschina ein markerschütterndes Wiehern hören, machte einen krummen Katzenbuckel, tat einige Seitensprünge nach rechts und nach links und schoß dann mit einer Schnelligkeit geradeaus, als ob sie sich den Kopf einrennen wollte. Es gehörte ein sehr fester Sitz dazu, dabei nicht herunterzufallen, doch Thar behauptete sich mühelos im Sattel. Wir folgten ihm so schnell wie möglich und herzlich lachend, denn bei dem angstvollen, tragikomischen Gebaren des Maulesels war es geradezu unmöglich, ernst zu bleiben.
    Der neue Weg führte über die Ruinen des Dorfes Chirbet en Nasara nach der Straße von Jerusalem. Da holten wir den Buben ein, der stolz auf seinem Tiere saß, welches ihm nun ganz leidlich gehorchte. Von der Straße aus ging es dann die erwähnten vierhundert Schritte nach dem »Brunnen Abrahams«, der in der Ecke eines quadratischen, großen Mauerwerkes liegt. Wozu diese Mauern bestimmt gewesen und ob sie überhaupt jemals ausgebaut worden sind, das weiß man nicht. Jetzt liegen sie in Trümmern. Die Blöcke sind ganz ohne Mörtel auf-und aneinander gefügt und oft bis fünf Meter lang. In Baalbek habe ich zwar derartige Quader von über neunzehn Meter Länge gesehen, aber fünf Meter beweisen doch auch schon zur Genüge, daß man zur Zeit, als diese Mauern entstanden, bedeutende Lasten zu bewegen wußte. In der Nähe liegt noch eine andere Zisterne, die man »das Bad der Sarah« nennt. Auch gibt es zwei in dem Felsen angebrachte Ölkeltern und unweit davon die Ruinen einer großen Kirche, möglicherweise der Basilika, welche Konstantin der Große bei der »Terebinthe von Mamre« erbaute. Man nennt diese Stelle noch heute das »Terebinthental« und es ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß hier die Gegend des einstigen Haines Mamre zu suchen sei.
    Als wir das Mauerviereck erreichten, sahen wir eine ärmlich gekleidete Araberin, die mit einem kleinen Mädchen in der Brunnenecke saß. Sie zog sich bei unserm Anblick sofort vom Wasser zurück. Wir schöpften für unsere Tiere und dann, als sie getrunken hatten, machte sich meine Frau daran den Platz zu photographieren. Als der Hammahr das sah, brachte er sich und seine Maulesel sofort in

Weitere Kostenlose Bücher