Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
ich dir nicht erst zu berichten, weil sie zu dir kommen wird, um es dir selbst mitzuteilen. Ihr erster Gedanke warst gleich du.«
»Ich? Und der Minister? Wie komme ich mit dem zusammen?«
»Das wirst du schnell erfahren. Dort kommt sie schon. Da muß ich gehen, denn von dem, was nun bei euch gesprochen wird, verstehe ich ja nichts.«
Er stand auf, gab beiden die Hand und ging. Man sah ihm an, daß er wohl gern noch länger geblieben wäre. Unten an der Brücke begegnete er der Nahenden. Er zog vor ihr den Hut, als ob sie etwas Vornehmeres als nur ein Kind des Dorfes sei. Sie hatte ihm ja gesagt, daß sie das so wolle und daß es sie ärgere, wenn man sie jetzt noch Rösle nenne; sie heiße doch Rosalia, wie es im Kirchenbuch geschrieben stehe.
Sie war eine hohe, sehr voll gebaute Person, die sich ganz städtisch trug. An ihrer Brust prangte die Hälfte des roten Nelkenbusches, den Bernstein ihr gebracht hatte. Sie grüßte kurz, als sie den Tisch erreichte, gab nur die Fingerspitzen ihrer Hand, setzte sich auf den leergewordenen Stuhl und fiel dann sofort mit der ganzen Tür in das Hans:
»Herzle, es gibt Festjungfrauen, zwölf Stück, alle weiß gekleidet. Ich bin die oberste von ihnen und sage dem Minister das Gedicht, welches mir der Herr Lehrer machen muß. Er will zwar nicht, aber ich weiß, ich setze es noch durch!«
»Festjungfrauen?« fragte die Nähterin erstaunt.
»Ja; was sollte der Minister von uns denken, wenn er nicht von weißgekleideten Damen mit einem Gedicht empfangen würde! Dieser Gedanke ist von mir. Fein, nicht wahr? Es müssen zwölf sein, gerade ein ganzes Dutzend. Ich suche sie mir aus. Dich kann man nicht mit wählen, weil du buckelig bist. Der Herr Lehrer brachte den Brief, dazu einen großen Nelkenstrauß, zweiunddreißig Stück. Ich habe sie gezählt. Für dich hatte er nur eine kleine Rose. Da ist sie ja; ich sehe sie. Warum bist du nicht auch gekommen, mir zu gratulieren? Wir sind an demselben Tage geboren und an demselben Tage in derselben Kirche getauft worden. Da schickt es sich doch, daß man sich das Wort vergönnt!«
Das Herzle schwieg; die Mutter aber fragte:
»Und du, Fräulein Rosalia?«
»Ich? Ich bin ja da!«
»Um zu gratulieren?«
»Ja. Was sonst?«
»Ich habe noch kein Wort davon gehört!«
»Ach so! Ich soll euch eine Rede halten? Das habe ich nicht nötig. Es genügt vollauf, daß ich gekommen bin!«
»Aber gewiß nur wegen des neuen Kleides für die weiße Festjungfrau! Wegen Herzles Geburtstag aber nicht!«
»Du bist noch immer des Musterantons Frau, die uns nicht leiden kann, obgleich ihr uns euer ganzes Bergle zu verdanken habt. Und heute ist deine Laune doppelt schlecht. Ich weiß, woran du immer denkst, wenn du mich siehst. Warum war das Herzle immer so krank und immer so still, wenn ich mit ihm reden wollte? Warum spielte es nur mit anderen? Das hat mich wütend gemacht. Hätte es mir gehorcht, so hätte ich ihm damals nicht die Ohrfeigen gegeben und es auch nicht den Berg hinabgeworfen, worauf es buckelig geworden ist. Es ist ein Unterschied, ob man den reichen Musterwirt oder den armen Musteranton zum Vater hat. Wer nicht hört, der muß eben fühlen. Jetzt aber bin ich da, um mit euch über das weiße Kleid zu reden. Das meinige muß natürlich von Seide sein. Der Vater spannt nach dem Mittagessen an. Da fährst du mit in die Stadt, Herzle, um den Stoff für mich auszusuchen.«
»Das kann ich nicht; ich habe keine Zeit,« antwortete die Nähterin.
»Das geht doch mich nichts an! Ich bezahle dich. Und eine Wagenfahrt mit mir ist doch wohl eine Auszeichnung, auf die du dir etwas einbilden kannst. Was hast du denn so nötig, zu tun?«
»Diese Spitzengarnitur muß bis zur Ausstellung fertig werden. Und heute ist mein Geburtstag; da gebe ich mir für den Nachmittag frei. Man will doch auch einmal zu Atem kommen.«
»Wenn du mit der Garnitur fertig werden mußt, so arbeite in der Nacht! Oder meinst du damit auch, daß du keine Zeit für mein neues Kleid hast? Die Nähterinnen in der Stadt mag ich nicht. Sie sagen zwar, daß sie mich nicht mögen, aber umgekehrt ist es richtiger. Willst du es machen?«
»Ja. Dann muß ich allerdings des Nachts arbeiten.«
»Und fährst mit mir in die Stadt?«
»Nein. Suche dir den Stoff selbst aus!«
»Das kann ich nicht, dein Geschmack ist mir lieber als der meinige. Und du sagtest ja soeben, daß du dir freigeben willst.«
»Nicht für die Stadt. Ich habe mit dem Herrn Lehrer die Muster zu besprechen. Er ist
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