Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
an meinem Geburtstage stets zum Kaffee zu uns gekommen und wird dies wahrscheinlich auch heute wieder tun. Da muß ich also zu Hause sein.«
Da fuhr die Tochter des Musterwirtes schnell auf:
»Hat er es dir etwa vorhin versprochen?«
»Nein.«
»So kommt er heute nicht; ich werde dafür sorgen! Ich weiß gar wohl, was du denkst und was du willst. Aber das schlage dir nur aus dem Sinn. Der Herr Lehrer ist nicht für dich! Der braucht eine Frau, die gerade gewachsen ist und die das Geschick besitzt, mit feinen Leuten zu verkehren. Der hat eine Zukunft; das sagt der Vater, und der versteht es wohl. Er wird nicht lange mehr Lehrer bleiben. Die Behörde ist auf ihn aufmerksam geworden; wir wissen es. Auch sogar der Vater hat mir anvertraut, daß er noch Großes mit ihm vorhabe. Wenn so ein Mann sich eine Frau sucht, so geht er nicht zum armen Damenhäusle, sondern zum reichen Musterwirt, der ganze Säcke voll von blanken Talern hat und dazu eine Tochter, auf welche man selbst in Dresden Augen macht, wenn man sie sieht. Also, willst du mir das neue Kleid machen?«
»Ja.«
»Und am Nachmittag mit mir in die Stadt fahren?«
»Nein.«
»So laß es bleiben! Wenn du nicht mitfährst, darfst du es auch nicht machen. Es leckt jede Nähterin die Finger danach, für Fräulein Rosalia zu arbeiten. Ich gehe jetzt. Wir sind geschiedene Leute. Aber vorher sage ich dir noch einmal: Der Herr Lehrer ist nicht für dich gewachsen, und wenn du ihn dir nicht aus dem Kopfe streichst, bekommst du es noch ganz anders mit mir zu tun, als damals, wo ich dich nur buckelig machte!«
Sie war von ihrem Stuhle aufgesprungen. Nun drehte sie sich um und ging, ohne einen Gruß zu sagen, durch das Gärtle hinunter, über die Brücke und auf dem Wiesenwege nach dem elterlichen Hause, wo sie im Stalle bekannt gab, daß sie nicht heute, sondern erst morgen nach der Stadt fahren werde.
»Heute muß ich daheim bleiben,« dachte sie. »Ich werde auf den Lehrer lauern und mit ihm reden. Dann soll es sich zeigen, wo er den Geburtstagskaffee trinkt, bei ihr oder bei mir!«
Von da ging sie nach dem Innern des Hauses, in die große Gaststube, wo auf einem besonderen Tische alle ihre Geburtstagsgeschenke ›aufgebaut‹ waren, damit jedermann sie sehen und bewundern möge. Der Musterwirt liebte es, auch in dieser Weise zu zeigen, daß er der reichste Mann im ganzen Dorfe, ja, wohl in der ganzen Umgegend sei.
Obgleich es noch am Vormittage war, hatte sich schon eine Anzahl von Gästen eingestellt, die von der Nachricht herbeigelockt worden waren, daß der Gendarm im Gasthofe gewesen sei und etwas Neues vom ›Geldmännle‹ erzählt habe. Auch das Ausstellungskomitee hatte sich eingefunden, wegen des Briefes aus dem Ministerium von dem Wirt zusammenberufen. Die Tochter kam grad, als ihr Vater zu erzählen begann, was er von dem Sicherheitsbeamten erfahren hatte. Er sagte soeben:
»Es ist zwar schade um den Neubertbauer aber, er hat immer groß hinaus gewollt. Mit solchen Protzen sollte man eigentlich gar kein Mitleid haben. Er hat ein einziges Kind, eine Tochter. Nun schaut die mal an, wie sie dahergeht! Wie ein Fürstin tritt sie auf, und nichts ist ihr gut und teuer genug gewesen. Ein solches Gehabe mußte den Neuberthof herunterbringen. Die Tochter hat nach und nach den Vater aufgefressen und er dabei sein schönes Bauerngut. Und alles, alles hat er besser verstanden als andere Leute. Und recht hat er gehabt in allem, was man mit ihm sprach. Er hat sich sogar sehr oft mit mir herumgestritten, und das will schon was sagen! Als es immer mehr und mehr abwärts gegangen ist und er bald nichts mehr gehabt hat, da hat er sich nach dem Geldmännle umgeschaut, und dieses ist sehr schnell zu ihm gekommen. Denn das Geldmännle ist allwissend und findet jeden, der es haben will. Der Neubertbauer hat für jeden guten, echten Schein fünf falsche, nachgemachte bekommen, die er gern wieder losgeworden ist, weil sie keinen einzigen Fehler haben, als nur einen ganz, ganz kleinen, den nur der richtige Kenner entdecken kann. Ich habe zwar noch keinen gesehen; Ihr wißt ja alle, daß ich nie ein Papiergeld annehme, denn es ist mir einmal eine große Summe in Papier verbrannt; aber ich habe gehört, daß man ein sehr gutes Vergrößerungsglas haben muß, um die falschen Scheine von den echten zu unterscheiden. Darum ist gar keine Gefahr dabei, sich von dem Geldmännle sogar viele tausend Taler oder Gulden umwechseln zu lassen; nur muß man beim Ausgeben vorsichtig sein
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