Abenteuer im Ferienlager
schwindelig wurde, wenn er zur Toilette musste. Wir haben eine Krankenstation dort im Haupthaus. » Er wies auf das Gebäude. »Dort lag er mit zwei anderen Jungen in einem Raum. Täglich hat der Arzt nach ihm gesehen. Und unsere Schwester war Tag und Nacht im Haus. Dass Billy Schneider das Haupthaus während dieser neun Tage nicht für eine Sekunde verlassen hat, dafür bürgt sie. Dazu wäre er auch gar nicht in der Lage gewesen. Heute Früh durfte er zum ersten Mal aufstehen. Aber im Ort war er nicht. Er lungerte die ganze Zeit hier herum. Ich hatte ihn ständig im Auge.«
Rasputins Erklärung schlug wie eine Bombe ein. Klößchen vergaß für einen Moment seine Schokolade. Karl begann heftig an seiner Nickelbrille zu rücken – bei ihm ein Zeichen von Überraschung. Gaby zeigte eine betont kühle Miene, hinter der sie versteckte, wie verdattert sie war. Die Polizisten staunten, wirkten ziemlich hilflos und wussten offenbar nicht, was sie tun sollten.
Nur Tarzan überwand die Überraschung sofort. Wie auf Knopfdruck bildeten sich Gedanken, Fragen, Vermutungen. Stimmte das, was Rasputin sagte? Log der etwa, weil er Billys Komplize war? Unmöglich! Rasputin war ein Pfundskerl. Um das zu beurteilen, brauchte man ihn nicht lange zu kennen. Aber was dann? Hatte Billy Schneider sich verstellt? War er heimlich aus dem Krankenrevier abgehauen, um im Kaufhaus Beute zu machen? »Seltsam!«, dachte Tarzan. »Die meisten Diebe bemühen sich um Unauffälligkeit. Und Billy Schneider zieht mit knallbunter Windjacke los. Da fehlte nur noch die Aufschrift DIEB auf dem Rücken. Wie passt das alles zusammen?«
»Wir müssen den Fall untersuchen«, sagte der Wortführer der Polizisten. »Wo ist dieser Billy Schneider?«
Er war in seiner Bude und lag auf dem Bett; als man ihn holte, drückte er rasch eine brennende Zigarette am Bettgestell aus. Die Polizisten befragten ihn. Er antwortete, bestritt natürlich alles und wurde sogar pampig. Dann holte man die Krankenschwester. Sie sagte aus, es wäre für den Jungen völlig unmöglich gewesen, das Krankenzimmer zu verlassen. Sie hätte es bestimmt bemerkt und Billys Verfassung hätte das auch gar nicht erlaubt. Die Aussage der Frau wurde von den beiden Jungen bestätigt, die noch immer auf der Krankenstation lagen: Der eine mit gebrochenem Bein, der andere mit einer schlimmen Blutvergiftung am Fuß – er war in eine Scherbe getreten.
All das entlastete Billy Schneider, aber die Polizisten waren hartnäckig. Sie nahmen den Jungen mit zum Kaufhaus und stellten ihn den Verkäufern gegenüber. Dass die jetzt umkippen und ihren Irrtum zugeben würden, hatte jeder erwartet. Doch das Gegenteil trat ein. Einhellig versicherten sie, dieser Junge sei der Dieb. Ihn hätten sie – sie nannten Tage und Tageszeiten – in ihren Abteilungen gesehen. Sein Verhalten sei auffällig gewesen und er sei auch jedes Mal plötzlich verschwunden. Und sofort danach hätten sie das Fehlen besagter Waren bemerkt. Fest stünde auch, der Junge habe eine Schultertasche bei sich gehabt. Vermutlich, um die Beute zu transportieren.
Vom Ergebnis der Gegenüberstellung erfuhren die vier Freunde später durch Rasputin. Zu fünft – und Oskar – saßen sie jetzt im Gemeinschaftsraum des Ferienlagers und der Betreuer ließ sich seine Betroffenheit anmerken.
»Verstehe ich nicht«, murmelte er immer wieder und schüttelte den Kopf. »Sicherlich, keiner der Verkäufer hat tatsächlich gesehen, dass Billy etwas an sich nahm. Dass er der Dieb sein müsse, beruht auf Folgerungen, weil gerade kein anderer Kunde in der Nähe war. Weil Billy so plötzlich verschwand – jedes Mal. Weil unmittelbar dann das Fehlen der Ware entdecktwurde.So kam man im Kaufhaus darauf, der Junge in der orangeroten Windjacke müsse der Dieb sein. Aber darum, Kinder, geht’s jetzt gar nicht. Was mich wahnsinnig macht, ist die Sturheit der Verkäufer! Vor Gericht würden sie unter Eid aussagen, dass Billy Schneider am Mittwoch, am Donnerstag, am Freitag, am Samstagvormittag und am Montag im Kaufhaus war. War er aber nicht. Er war hier! Oder ich will Rasputin heißen.«
Alle lachten.
»Spuk scheidet sicherlich aus«, meinte Tarzan. »Dass jemand zur gleichen Zeit an zwei Orten sein kann, gibt’s nur in Horrorfilmen.«
»Und wer so aussieht wie Billy Schneider, hat auch gewiss keinen Doppelgänger«, meinte Gaby. »Vielleicht irren sich die Verkäufer und wollen es nicht zugeben. Oder sie...« Erschrocken klappte sie den Mund zu. Dann senkte
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