Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
hin und her. Was das denn bitte solle,
fragte ich ihn. Er schaute das Krokodil an, das Krokodil schaute ihn an, dann
entschuldigte er sich bei mir. »Nur ein Versuch«, sagte er. Und ob es
denn verkehrt sei, ab und an einfach mal etwas zu versuchen. »Nein«, sagte das
Krokodil.
Herr Willis,
genau jetzt.
TR
Einmal rief mich mein ehemaliger Bankberater mitten in der
Nacht an. »Ich wollte nur mal hören«, sagte er, und dann hörte er.
Sehr geehrter Herr Willis,
da ich nicht genau weiß, wann Sie Ihre Mails lesen, habe
ich beschlossen, den richtigen Moment bis heute Abend, 22 Uhr
(mitteleuropäische Zeit), zu verlängern. Dann wird, so leid mir das tut, die
Bank gestürmt. Dann wird, so leid mir das tut, niemand mehr glücklich.
Mfg,
T. Rammstedt
Bei einem unserer Termine im Park betrachtete mein ehemaliger
Bankberater lange eine Pfütze. »Pfützen sind die Ozeane des kleinen Mannes«,
sagte er. Er trat einen Schritt zurück. »Des sehr kleinen Mannes«, sagte
er dann.
Sehr geehrter Herr Willis,
wahrscheinlich handelt es sich um ein interkontinentales
Missverständnis, vielleicht wissen Sie nicht genau, wann 22 Uhr deutscher Zeit
ist (bzw. war), also gebe ich Ihnen noch einen Aufschub bis 22 Uhr Ihrer Zeit.
Also noch knapp neun Stunden. Das ist dann die letzte Chance. Nur dass Sie das
wissen.
Tilman Rammstedt
PS: Statt
»Los geht’s«, »Showtime« oder »In Ordnung« können Sie von mir aus auch »Bringen
wir’s hinter uns« sagen. Oder »Ich sehe euch auf der anderen Seite«, auch wenn
mir das etwas bemüht erscheint. Sie müssen auch gar nichts sagen (kein Mann der
vielen Worte, Stirnrunzeln etc.). Viel wichtiger ist, dass Sie etwas tun. Und
wenn möglich bis 22 Uhr. Und wenn möglich das Richtige.
Mein ehemaliger Bankberater hatte ein feines Gespür für
Abwesenheiten. »Heute regnet es sehr stark nicht«, konnte er zum Beispiel
unvermittelt feststellen oder: »Die Leere dieses Bierglases ist zu groß« oder
auch: »Ich erinnere mich genau an all das, was ich jemals vergessen habe«,
obwohl ich dabei vermute, dass es aus irgendeinem Lied stammte und mein
ehemaliger Bankberater nur fand, dass es gut klang. »Aber mal im Ernst«, sagte
er dann immer. »Es gibt viel mehr nicht, als es gibt.« »Denken Sie mal drüber
nach«, fügte er noch hinzu, und das machte ich tatsächlich, kam dabei
aber nie sehr weit.
Sehr geehrter Herr Willis,
in Ordnung. Es ist Ihre Entscheidung, ich kann Sie nicht zwingen.
Sie rühren sich also immer noch nicht, Sie schreiben nichts, Sie sagen nichts.
Aber ob Sie es nun wollen oder nicht: Sie sind in dieser Bank. Und ob Sie es
nun wollen oder nicht: Die Bank ist umstellt. Die Polizisten interessiert es
nicht, ob Sie das wollen. Die Scharfschützen interessiert es nicht, Herrn
Gerland interessiert es nicht und die auf dem Boden kauernden Kunden erst recht
nicht. Da ist eine hochschwangere Frau, Herr Willis, da ist ein alter Mann, der
dringend seine Blutdruckmedikamente braucht, da ist dieser Kerl mit den großen
Kopfhörern, der gerade mit sich aushandelt, ob er hier den Helden spielen soll,
und wer weiß, wofür er sich entscheidet.
Und wissen Sie was, Herr Willis, mich interessiert ehrlich gesagt
auch nicht mehr, ob Sie das wollen oder nicht. Sie sind in der Bank, und Sie
müssen dort wieder raus, egal wie, das ist Ihr Problem, nicht meines. Ob Sie es
wollen oder nicht, sind alle Augen auf Sie gerichtet. Alle bis auf Ihre
eigenen, die wandern durch den Raum, kehren wieder zurück zu mir, rechts hinter
Ihnen, an die Wand gelehnt. Sie sagen nichts, das ist Ihre Entscheidung, aber
Ihr Blick hält sich nicht daran. »Hilfe«, sagt er, und mein Blick sagt: »Sie
schaffen das.« »Hilfe«, sagt Ihr Blick noch einmal etwas lauter, und mein Blick
sagt: »Sie schaffen das ganz sicher. Sie sind Bruce Willis«. Ihr Blick senkt
sich. »Bin ich das wirklich?«, fragt er. Mein Blick zögert kurz, dann sagt er:
»Sie waren es noch nie so sehr wie jetzt«, und Ihr Blick wendet sich wenig
überzeugt ab.
Es ist fast wie bei Ihrem Hamlet damals, bei Ihrem Aussetzer im
zweiten Akt. Alle schauen Sie gebannt an, und Sie wissen den Text einfach
nicht. Sie wissen, dass es ihn gibt, dass er sich nur versteckt hat, ganz knapp
außerhalb Ihrer Reichweite, aber Sie wissen auch, dass Sie ihn nicht finden
werden. Nicht, wenn alle Augen auf Sie gerichtet sind, nicht in dieser
sirrenden Stille, nicht mit diesem Revolver in der Hand, der immer schwerer
wird, den Sie gern irgendwo ablegen würden,
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