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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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noch ein paarmal ab, um eine lange gerade Straße zu finden,
die möglichst direkt auf den Sonnenuntergang zuläuft, aber keine scheint mir
angemessen, keine sieht so aus, als ob sie in irgendeine Zukunft führen würde,
immer nur bis zur nächsten Kreuzung, wo es dann wieder etwas zu entscheiden
gibt.
    »Es ist noch nicht vorbei«, sage ich, während sich die Straßen immer
mehr beruhigen, Kopfsteinpflaster, Garagen, nur noch vereinzelt ein
Blumengeschäft, ein Optiker. Ich weiß nicht, ob Sie darauf tatsächlich nichts
erwidern oder ich es nur durch den Fahrtwind nicht verstehe. Das macht aber
ohnehin keinen großen Unterschied. Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Das wissen
Sie auch, Herr Willis. Ob Sie es nun wollen oder nicht.
    Links plötzlich Brache, Bauland, dahinter Wald, ich steuere darauf
zu. »Das war das letzte Mal, dass ich Ihnen geholfen habe«, sage ich und kann
nicht wissen, wie wenig das stimmt.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Einmal habe er fast ein großes Gefühl gehabt, sagte mein
ehemaliger Bankberater. Bei genauerer Überlegung sei es aber doch eher klein
gewesen und bei noch genauerer noch nicht einmal streng genommen ein Gefühl. Er
habe dann lieber schnell aufgehört, genau zu überlegen. »In letzter
Sekunde«, sagte er.

Sehr geehrter Herr Willis,
    das Wichtigste zuerst: Es wird Sie sicher beruhigen, dass
ich die Schusswunde an Ihrem Bein notdürftig versorgen konnte. Mein linker
Hemdärmel dient als Verband, zum Desinfizieren mussten ein paar Birkenblätter
reichen. Das sei ein altes Hausmittel, habe ich Ihnen gegenüber behauptet und
gehofft, dass es vielleicht sogar stimmt. Natürlich brauchen Sie einen Arzt,
aber Sie brauchen ohnehin vieles, was hier und jetzt, mitten in diesem Wald,
nicht aufzutreiben ist. Wir müssen uns mit dem begnügen, was da ist: Bäume,
Moos, Erschöpfung und sonst nicht viel.
    Das Fahrrad habe ich im Unterholz versteckt. Ich habe die SIM -Karten
aus unseren Telefonen entfernt, weil ich schließlich weiß, wie man aufgespürt
wird, und weil ich es aber doch nicht so genau weiß, habe ich die Telefone
sicherheitshalber so lange auf den Boden geworfen und bin darauf herumgetreten, bis alle Zweifel ausgeräumt waren. Ihren Arm
um meine Schulter gelegt, habe ich Sie dann bis zu dieser kleinen Lichtung
geschleppt. Es tut mir leid, wenn ich zwischendurch manchmal etwas laut
geworden bin, aber Sie sind nun einmal nicht besonders handlich, nehmen Sie es
nicht persönlich.
    Als ich Sie losließ, legten Sie sich sofort auf den Boden, die
rechte Hand als Kopfkissen, die Beine angewinkelt, als erwarteten Sie, dass ich
Sie zudecke. Und nichts hätte ich lieber getan, als mich auch dorthin zu legen,
neben Sie, die Reste der Abendsonne im Gesicht. Aber ich ahnte, dass zumindest
einer von uns in Bewegung bleiben musste, und ich ahnte auch, wer von uns
beiden das war.
    Sie sind der Verletzte, nicht ich, das weiß ich, Herr Willis,
darüber bin ich mir voll und ganz im Klaren, aber auch eine Schusswunde kann
man überstrapazieren. Ich habe Sie aus der Bank herausgeholt. Ich habe Ihnen
einen angemessenen Vorsprung verschafft. Ich habe sogar Beeren gepflückt,
obwohl noch längst keine Beerenzeit ist, und versucht, ein Lagerfeuer zu
machen. Es war nicht meine Schuld, dass Sie auch kein Feuerzeug dabei hatten.
Es war nicht meine Idee, dass Sie ausgerechnet jetzt mal wieder versuchen, mit
dem Rauchen aufzuhören. Und Sie können ganz bestimmt mit zwei Stöcken ein Feuer
anzünden, wahrscheinlich sogar mit einem, ich aber verlor nach einer
Viertelstunde die Lust, es zu probieren, und Sie wollten mir ja nicht helfen,
Sie wollen ja einfach weiter neben den aufgetürmten Ästen und Zweigen liegen
bleiben und vorwurfsvoll frieren.
    Auch unsere Gespräche bleiben schleppend. »Ob sie wohl noch hinter
uns her sind?«, frage ich.
    »Halt die Klappe«, sagt Ihr an den Körper gepresster Arm.
    »Wie geht es Ihrem Bein?«, frage ich.
    »Halt die Klappe«, sagt Ihr sich hin und her schiebender
Unterkiefer.
    »Mir ist kalt«, sage ich.
    »Uns auch«, sagen Ihre hochgezogenen Schultern.
    Manchmal knackt es im Gehölz, und dann bin es immer nur ich, der
zusammenzuckt, der seinen Kopf in die Höhe reckt wie ein Hirsch, ein Reh,
irgendein alarmiertes Wild, Sie scheint das nicht zu interessieren. Es
interessiert Sie auch nicht, als ich unsere Wachschichten für die Nacht
verteile. Ich weiß, es war ein langer Tag. Ich weiß, Schusswunde. Aber auch ich
brauche ein wenig Schlaf, weiches Moos unterm Kopf und

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