Abschied von der Küchenpsychologie
Maßnahmen verleiten.
3.3 Ordnung im psychologischen Denken
Alle kennen dieses Ratespiel: Eine Person denkt an einen Begriff (z.B. Pusteblume) und die anderen sollen ihn durch Fragen, die sich mit Ja oder Nein beantworten lassen, herausfinden. Wer hier das «Raten» wörtlich nimmt, wird systemlos Einfälle aneinanderreihen: Ist es ein Fußball? Ist es eine Katze? Ist es …? Um die uferlose Raterei zu vermeiden, grenzt man üblicherweise den Suchbereich systematisch ein, und zwar mit Hilfe großer
Kategorien
und
Unterkategorien
: «Ist es etwas Lebendiges?», «Ist es eine Pflanze?», «Ist es eine Blume?» So kann man sich bei jeder neuen Aufgabe von allgemeinen zu spezifischen Begriffen durchfragen,
sofern
man allgemeines Weltwissen im Kopf hat, und zwar hierarchisch geordnet (hieran mangelt es Kindern, weshalb sie mehr raten).
Das Gleiche gilt auch innerhalb einzelner Fachgebiete. Ärzte grenzen die Diagnose ein, indem sie zu verschiedenen
Suchbereichen
Fragen stellen und Laborwerte erheben, und ähnlich wird ein Techniker die Ursache einer Störung eingrenzen. Allerdings wird die kognitive Ordnung der Fachleute nicht nur aus Kategorien und Unterkategorien bestehen, sondern auch aus einem inneren Bild, einem sog. mentalen Modell von der Funktionsweise des Organismus bzw. des technischen Gerätes.
All dies braucht man auch im psychologischen Bereich. Wie geht man beispielsweise vor, wenn man herausfinden will, warum jemand Wutanfälle bekommt oder warum ein Kind schlechte Schulnoten nach Hause bringt? Man kann diverse Ideen einfach aneinanderreihen oder man kann in mehreren Faktoren
bereichen
nach Erklärungen suchen – und das sollte man auch tun, um sich nicht voreilig festzulegen. Eine übertragbare Ordnung erlaubt es, systematisch Fragen zu stellen bzw. Informationen zu suchen, um die relevanten Faktoren zu ermitteln: «Ich achte erstens auf …, ich achte zweitens auf … usw.» Anders als im Ratespiel besteht das Ergebnis allerdings meist nicht in einem einzigen erklärenden Begriff, sondern in einer Idee von Zusammenhängen.
Selten, so meine Erfahrung, gehen Laien an psychologische Praxisprobleme so methodisch heran. Gute Ordnung im Kopf braucht man aber nicht nur für den Umgang mit Praxisfällen, sondern ebenso für das «theoretische» Verstehen von Sachfragen, über die man nachdenkt und diskutiert. Was würden Sie davon halten, wenn die 31 Einzelthemen von S. 117 bis S. 349 nicht nach Schwerpunkten geordnet wären, sondern ein Zufallsgenerator die Reihenfolge bestimmt hätte? Jedes ordentliche Sachbuch gruppiert daher zusammengehörige Inhalte zu Kapiteln. Mit der Ordnung wächst nicht nur die Übersichtlichkeit, sondern auch das
Verständnis
. Wenn zwei Menschen dieselbe
Menge
einzelner Wissensinhalte besitzen, aber bei A ist dies eine lockere Sammlung von Quizwissen und bei B ein organisiertes Wissensgebäude – wer hat das «intelligentere» Wissen? Gut geordnetes Wissen ist ein typisches Merkmal von Experten.
Dieses Buch bietet keine Schulung zum Experten, doch auch eine psychologische Grundbildung sollte nicht aus einer lockeren Sammlung von Wissensbrocken bestehen, sondern aus einem strukturierten Wissensnetz. Deshalb ist es wichtig, einige ordnende Wissensaspekte hervorzuheben, die sich auf unterschiedliche Themen und Probleme übertragen lassen, auf Erziehungsverhalten, Gesprächsverhalten oder Lernstörungen ebenso wie auf aggressives Verhalten, Hilfeleistung usw. Die folgenden Kapitel 4 und 5 werden dies an Beispielen erläutern.
[zur Inhaltsübersicht]
Verstehen und Anwenden:
Was generell bedeutsam ist
In den Kapiteln 4 bis 6 geht es um elementare Dinge und das «große Ganze». Die Kapitel bieten so etwas wie eine grobe Weltkarte anstelle einzelner Länderkarten. Eine Weltkarte ist zwar nicht so detailliert, dafür aber umfassender – und sie lässt erkennen, in welcher Beziehung die Erdteile und Länder zueinander stehen.
Die Überblickskapitel sorgen also für Ordnung im Kopf und liefern Orientierungen, die sich auf viele Einzelfragen übertragen lassen. Zahlreiche Beispiele werden dies illustrieren.
Kapitel 4 stellt zunächst die psychologischen Grundaspekte vor, die in fast jedem Zusammenhang von Bedeutung sind; hier geht es also um besonders fundamentale Inhalte.
Kapitel 5 macht deutlich, wie sich diese Aspekte als Leitlinie nutzen lassen, um konkrete Einzelfälle besser zu verstehen und Ansatzpunkte für Veränderungen zu finden.
Kapitel 6 erläutert
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