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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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wieder so eine richtige Mimose – genau wie deine Mutter.
    SIE : Sollen wir jetzt über unsere Eltern reden? Dann könnte ich mich ja auch über die Verwöhnung bei euch zu Hause auslassen.
    ER : Was soll denn das nun wieder!? So kommen wir wirklich nicht weiter.
    SIE : Nein, wirklich nicht.
    Dies ist wahrlich ein missglücktes Gespräch – fast wie bei Loriot. Aber darum soll es hier nicht gehen. Vielmehr geht es jetzt, ganz nüchtern, um die Identifizierung der Grundaspekte.
    Das zu erklärende Verhalten sind die verbalen Äußerungen und der (anzunehmende) nonverbale Ausdruck. Das Verhalten erklärt sich zunächst einmal durch die
inneren Prozesse
: Das sind die mitgeteilten Gedanken, aber auch die (nicht klar mitgeteilten) Gefühle, vor allem Ärger bei beiden, bei der Frau zum Teil auch Resignation. Hinzu kommen Absichten: Er möchte pünktlich zum Training, sie würde wohl am liebsten ein Gespräch über ihre Beziehungsprobleme führen.
    Wie die Ehepartner denken, fühlen und sich verhalten, ist einerseits abhängig von ihren jeweiligen
Personmerkmalen
. Dazu kann man aufgrund einer kurzen Szene nicht viel sagen. Der Mann hat offenbar starkes Interesse an Tischtennis; nach der (subjektiven) Aussage der Frau neigt er zum Aufbrausen und mangelt es ihm an Einfühlungsvermögen. Die Frau hat andere Interessen, die aber ungenannt bleiben; sie ist nach der (subjektiven) Aussage des Mannes sehr empfindlich («Mimose»). Einige personale Aspekte werden also als (wenig verlässliche) gegenseitige Zuschreibungen angesprochen. Eine zusätzliche Einschätzung eines Betrachters könnte sein: Die Kommunikationskompetenz für den Umgang mit Konflikten ist wohl bei beiden nicht sehr ausgeprägt. Über
Entwicklungsfaktoren
, aus denen Personfaktoren des jeweils anderen angeblich entstanden sind, äußern sich beide wechselseitig: Ihre Empfindlichkeit hat sie von der Mutter (seine Aussage); er wurde zu Hause verwöhnt (ihre Aussage).
    Innere Prozesse und Verhalten werden andererseits von
Kontextfaktoren
bestimmt. Auffällige
situative
Faktoren sind: Es ist ein Gespräch buchstäblich «zwischen Tür und Angel». Er ruft zunächst von der Treppe, spricht dann in der Wohnzimmertür. Sie stehen unter Zeitdruck, weil er ja zum Training will.
Interpersonale Bezüge
sind bei einem Gespräch natürlich von besonderem Interesse: Da ist das Missverständnis (= Kommunikationsstörung) bezüglich der Uhrzeit. Vielleicht hatte er gesagt: «Ich muss um 8 Uhr zum Training» – das kann man so oder so verstehen. Dann ist da die unmittelbare Interaktion: Ihre und seine Äußerungen bedingen sich wechselseitig. Das gilt auch für den gereizten Ton; ein Wort gibt das andere. Außerdem: Das Gespräch offenbart eine schwere Beziehungskrise. Es entzündet sich an einem Uhrzeitproblem und führt immer tiefer in grundsätzliche Enttäuschungen und Haltungen zueinander.
    Das Beispiel des Ehestreits sollte erneut verdeutlichen, was mit den Grundaspekten konkret gemeint ist, und es sollte zeigen, dass man Verhalten nicht aus einem einzelnen, sondern nur aus mehreren Faktoren erklären kann. So hätten die beiden vermutlich anders miteinander geredet, wenn auch nur einer der Aspekte anders aussähe, wenn sie z.B. andere «Eigenschaften» hätten, oder wenn sie ohne Zeitdruck zusammensäßen, oder wenn ihre Beziehung eine andere Qualität hätte.
    Da die Grundaspekte in jedem Falle hilfreich sind, wenn man Erklärungen für ein Verhalten oder Ansatzpunkte für eine Einflussnahme sucht, werden sie in den folgenden Kapitelabschnitten näher beleuchtet. Zunächst schauen wir auf das zentrale Geschehen: die aktuellen psychischen Prozesse.
    4.2 Verhalten und innere Vorgänge:
Wahrnehmungen, Gedanken, Emotionen, Motivationen
    Psychische Prozesse dienen dazu, die momentane Umgebung aufzunehmen und auf sie einzuwirken. Zum
Aufnehmen
gehören mehrere innere Prozesse: Wir sehen, hören oder nehmen auf andere Weise etwas wahr – Wir erfassen, was es bedeutet (Denken) – Wir freuen, ärgern, fürchten uns (Emotion). Zum
Einwirken
gehören ebenfalls innere Prozesse und natürlich das äußere Verhalten: Wir streben etwas an (Motivation) – Wir denken, wie das zu tun oder zu sagen ist (planendes, steuerndes Denken) – Wir tun oder sagen es (Verhalten).

    Vielleicht wundern Sie sich, dass das Verhalten in diesem Schema nicht mehr ganz oben steht wie in der Tafel auf S.  46 , sondern rechts unten an der Ausgangsseite der einwirkenden Prozesse. Nun, dort

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