Abschied von der Küchenpsychologie
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Vorwort: Was für ein Buch ist dies?
Dieses Buch ist kein akademisches Fachbuch – gleichwohl berichtet es über wissenschaftliche Erkenntnisse. Dieses Buch gehört auch nicht zur Ratgeber-Literatur – gleichwohl enthält es viele praktische Empfehlungen. Passend eingeordnet ist es als Buch zur Allgemeinbildung. Denn dieser Begriff bedeutet, dass man sich beim Mitreden über wichtige Fragen auf fundiertes Wissen stützt, auf Wissen für die Beurteilung von Sachproblemen wie auch auf Handlungswissen.
Es ist erstaunlich, dass in unserer sog. Wissensgesellschaft so manches «Wissen», das nach klaren wissenschaftlichen Erkenntnissen purer Unsinn ist, über Jahrzehnte oder Jahrhunderte weiterlebt. Die Psychologie ist von dieser Diskrepanz zwischen populären Vorstellungen und wissenschaftlichen Befunden besonders stark betroffen. Manche Annahmen sind so verbreitet, dass man sie allein schon deshalb für richtig halten muss: Wenn fast alle Menschen so denken, muss es doch wohl stimmen.
Das Anliegen dieses Buches ist aber nicht nur, populäre Irrtümer zu korrigieren. Es will darüber hinaus
Grundwissen
vermitteln für den Umgang mit psychologischen Fragen, mit denen viele Menschen im Alltag konfrontiert werden. Deshalb enthält das Buch sowohl einen allgemeinen Teil («Was generell bedeutsam ist») als auch insgesamt 31 Einzelthemen, die sich auf drei Schwerpunkte verteilen.
Ich habe mich durchgängig um gute Verständlichkeit bemüht. Die Themen haben jedoch nicht alle denselben Charakter. Viele sind recht anschaulich, einige etwas abstrakter. Für manche Themen bringen die meisten Leser/innen Alltagserfahrungen mit, an die der Text leicht anknüpfen kann (z.B. Mobbing unter Schulkindern), bei anderen Themen hingegen ist dies kaum möglich (z.B. beim Thema Erblichkeit).
Es ist durchaus ein Anliegen des Buches, deutlich zu machen, wie sehr psychologische Sachverhalte miteinander vernetzt sind. Dennoch kann man das Buch selektiv lesen. Um dies zu erleichtern, kommen manche Aussagen an mehreren Stellen vor oder es gibt Querverweise auf andere Kapitel.
Herzlich danke ich allen, die am «Gegenlesen» des Manuskriptes mitgewirkt und durch ihre Anregungen zur Verbesserung beigetragen haben.
Unter fachlichen Gesichtspunkten haben dies getan: Dr. Jörg Behrendt, Dr. Stephanie Buick, Prof. Dr. Dietmar Grube, Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Prof. Dr. Claudia Mähler, Prof. Dr. Peter Paulus, Dr. Cora Titz und ganz besonders Prof. Dr. Franz Thurner.
Als interessierte Laien haben gelesen: Michael Müller-Schwefe, Gisela Jebens, meine Tochter Nadja Nolting und ganz besonders meine Freundin Anne Hermes.
Hans-Peter Nolting
Göttingen, im März 2012
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Leitideen
Psychologische Allgemeinbildung – warum sollte man die brauchen und was sollte dazugehören? Wir alle sind zwar tagtäglich mit psychologischen Fragen konfrontiert und geben psychologische Urteile ab, doch wirkliche Kenntnisse aus der Psychologie werden von uns nicht erwartet und gelten nicht als Teil der Allgemeinbildung. Auch in den schulischen Lehrplänen sind sie kaum zu finden. Die folgenden Kapitel erläutern, was in diesem Buch unter psychologischer Allgemeinbildung verstanden wird und welchen Nutzen es haben kann, sich bei psychologischen Beurteilungen im täglichen Leben nicht von «Küchenpsychologie» leiten zu lassen, sondern von gut fundiertem Wissen.
1. Warum Psychologie zur Allgemeinbildung gehört
Wer sich in dem TV -Quiz «Wer wird Millionär?» für einen der drei Telefonjoker entscheidet, begründet dies gerne mit der Aussage: «Der/die hat eine gute Allgemeinbildung.» Und dann wird der arme Joker nicht selten mit Fragen wie diesen konfrontiert: «Wo gibt es einen Ebenholzfrosch mit Pariser Auge?» (am Geigenbogen). Oder «Welcher Roman beginnt mit den Worten: Nennt mich Ismael»? (Moby Dick). Wer das weiß, glänzt der nun tatsächlich mit guter Allgemeinbildung oder mit Spezialwissen?
Allgemeinbildung zu definieren, ist kaum möglich. Eher kann man wohl sagen, worin sich ein
Mangel
an Allgemeinbildung zeigt. Beispielsweise wenn jemand glaubt, dass Photosynthese im Fotoladen betrieben wird, oder nicht erklären kann, wie Tag und Nacht entstehen, oder Harakiri mit Kalahari verwechselt. Es gibt also Wissenslücken, die bei anderen ein verstecktes Grinsen auslösen – ein Zeichen dafür, dass man sich hier wohl in der Zone verbindlicher Allgemeinbildung bewegt.
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