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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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verhindern?“
„Ja“, erwiderte ich, doch klang meine Stimme nicht wie sonst. Sie klang leer. „Klar.“
Sie folgten mir nach draußen zum Auto, wo sie mir eine schusssichere Weste zum Überziehen gaben und meine Beretta neu luden. Bolton gesellte sich auf der Strasse zu uns.
„Er ist umzingelt“, sagte er, „er sitzt in der Falle.“
Ich fühlte mich so abgestumpft wie noch nie zuvor, als hätte man mich aller Gefühle beraubt, in einer Geschwindigkeit, wie man einen Apfel entkernt.
„Mach schnell!“ trieb Oscar mich an. „Du hast noch fünf Minuten, dann fängt er an, die erste Geisel zu verstümmeln. „
Ich nickte und zog auf dem Weg zum Wagen Hemd und Jacke über die Weste.
„Du kennst doch Bubbas Lager“, rief ich.
„Ja.“
„Der Zaun um Bubbas Grundstück geht auch um den Spielplatz herum.“
„Das weiß ich“, sagte Devin.
Ich schloss das Auto auf, öffnete das Handschuhfach und leerte den Inhalt auf die Sitze.
„Was machst du da, Patrick?“
„In dem Zaun ist ein Loch“, erklärte ich. „Im Dunkeln kann man das nicht sehen, weil es nur ein Schnitt im Maschendraht ist. Aber wenn man dagegendrückt, geht er auf.“
„Gut.“
Ich entdeckte den Rand des kleinen Stahlzylinders, der auf meinem Sitz unter dem Haufen von Streichholzbriefchen, Garantiebriefen, verschiedenen Papieren und Schrauben hervorlugte.
„Das Loch ist oben links im Zaun, wo die Pfeiler an Bubbas Grundstück grenzen.“
Devin warf einen Blick auf den Zylinder, während ich die Tür zuwarf und die Strasse hoch auf den Spielplatz zuging.
„Was hast du denn da in der Hand?“
„Das ist ein One-Shot.“ Ich lockerte das Armband meiner Uhr und schob den Zylinder zwischen Leder und Haut.
„Ein One-Shot?“
„Weihnachtsgeschenk von Bubba“, erklärte ich. „Schon lange her.“ Ich ließ es ihn kurz sehen. „Eine Kugel. Wenn ich auf den Knopf hier drücke, ist das wie ein Abzug. Dann kommt die Kugel aus dem Zylinder.“
Devin und Oscar sahen sich die Waffe genau an. „Das ist ein stinknormales Entstörgerät mit ein paar Angeln und Schrauben, einer Sprengkapsel und einer Kugel. Die reißt dir die Hand ab, Patrick!“ „Schon möglich.“
Vor uns lag der Spielplatz, umgeben von einem viereinhalb Meter hohen, eisüberzogenen Zaun. Schwer hing das Eis in den schwarzen Bäumen.
„Wozu brauchst du das überhaupt?“ fragte Oscar.
„Weil er mit Sicherheit verlangt, dass ich die Pistole ablege.“ Ich drehte mich zu ihnen um. „Das Loch im Zaun, Leute!“
„Ich schicke einen Mann rüber“, sagte Bolton.
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf und nickte in Richtung von Devin und Oscar. „Einer von den beiden. Das sind die einzigen, denen ich vertraue. Einer von euch geht da durch und kriecht von hinten an ihn heran.“
„Und was dann? Patrick, er hat…“
„… ein Baby auf den Rücken geschnallt. Vertrau mir! Du musst es auffangen!“
„Ich mache es“, sagte Devin.
Oscar schnaubte. „Mit deinen Knien? So’n Quatsch! Du kommst doch keine drei Meter weit auf dem Eis!“
Devin sah ihn an. „Ja? Wie willst du denn deinen Elefantenarsch über den Spielplatz kriegen, ohne dass dich einer sieht?“ „Ich bin schwarz wie die Nacht, Kollege! Mich sieht keiner im Dunkeln.“
„Wer denn nun?“ wollte ich wissen.
Devin seufzte und zeigte mit dem Daumen auf Oscar.
„Der Elefantenarsch“, grummelte Oscar. „Ha.“
„Bis gleich also“, verabschiedete ich mich und ging über den Bürgersteig zum Spielplatz.
Die Treppe kam ich nur hoch, indem ich mich am Geländer entlangzog.
Die Strassen waren im Laufe des Tages mit Salz oder Maschinen vom Eis befreit worden, doch der Spielplatz war so glatt wie eine Eislaufbahn. In der Mitte, wo der Asphalt abfiel und sich Wasser gesammelt hatte, befand sich eine mindestens fünf Zentimeter dicke dunkle Eisschicht.
Die Bäume, Basketballkörbe, Klettergerüste und Schaukeln wirkten wie aus Glas.
Gerry stand in der Mitte des Spielplatzes in einer Anlage, die eigentlich ein Springbrunnen oder Froschteich hätte sein sollen, aufgrund der knappen öffentlichen Kassen aber nur noch ein schlichtes Zementbassin mit Bänken Drumherum war. Ein Ort, wo Kinder spielen konnten und man selbst sehen konnte, was mit seinen Steuergeldern angestellt wird.
Gerrys Auto war seitlich des Bassins geparkt. Ich kam näher; er stand gegen die Motorhaube gelehnt. Aus meinem Winkel konnte ich das Baby auf seinem Rücken nicht sehen, doch die auf dem Eis kniende Danielle Rawson zu seinen Füssen hatte den leeren Blick

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