Absender unbekannt
Hals.
Während ich zu ihm hinüberkroch, wurde die Eingangstür aus den Angeln gehoben, und ich hörte Devin schreien:
„Nicht schießen! Nicht schießen! Der Mann ist in Ordnung! Kenzie, nimm die Waffe runter!“
Ich legte sie neben Phil auf den Boden.
Aus einer Wunde rechts am Hals kam das meiste Blut, dort hatte Gerry ihm den ersten Schnitt verpasst, bevor er ihm die Kehle einmal quer durchgeschnitten hatte.
„Einen Krankenwagen!“ schrie ich. „Wir brauchen einen Krankenwagen!“
Verwirrt blickte Phil zu mir auf, während ihm das helle Blut über Finger und Hand lief.
Devin reichte mir ein Handtuch, das ich auf Phils Hals drückte. Mit beiden Händen hielt ich es fest.
„Scheiße!“ stöhnte er.
„Nicht reden, Phil!“
„Scheiße!“ sagte er nochmals.
In seinen Augen stand die Niederlage geschrieben, so als hätte er sie von Geburt an erwartet, als käme man schon als Gewinner oder Verlierer auf die Welt, als hätte er immer schon gewusst, dass er eines Nachts mit durchschnittener Kehle auf dem Boden einer Kneipe liegen würde, der schale Geschmack von Bier auf den Gummifliesen ringsherum.
Er versuchte zu lächeln, und Tränen rannen ihm aus den Augen, liefen über die Schläfen und verloren sich in seinem dunklen Haar. „Phil“, beruhigte ich ihn, „du schaffst das.“
„Ich weiß“, erwiderte er.
Und starb.
39
Gerry war in den Keller gelaufen und von da ins Nachbarhaus gelangt. Dieses verließ er durch die Hintertür, wie er es auch in der Nacht getan hatte, als er auf Angie schoss. Dann sprang er in seinen Fiat Grand Torino, der in der kleinen Gasse hinter der Kneipe geparkt war, und fuhr in Richtung Crescent Avenue.
Beim Verlassen der Gasse stieß er fast mit einem Streifenwagen zusammen, und als er mit quietschenden Reifen auf die Dorchester Avenue abbog, wurde er bereits von vier Polizeiautos verfolgt. Von der anderen Seite kamen noch zwei Streifenwagen und ein Lincoln vom FBI; zusammen bildeten sie an der Ecke Harborview Street eine Straßensperre, auf die Gerry mit seinem Auto zugerutscht kam.
Beim Ryan-Spielplatz riss Gerry das Lenkrad herum und fuhr einfach die Treppe hinauf, die mit einer so dicken Eisschicht überzogen war, dass sie einer Sprungschanze glich.
Er bremste mitten auf dem Spielplatz, und als die Beamten von Polizei und FBI aus den Autos sprangen und auf ihn anlegten, öffnete er den Kofferraum und holte seine Geiseln heraus. Es handelte sich um eine einundzwanzigjährige Frau namens Danielle Rawson, die seit dem Morgen von ihren Eltern in Reading vermisst wurde. Die andere Geisel war ihr zweijähriger Sohn Campbell.
An Danielles Kopf war mit Isolierband eine doppelläufige Flinte geklebt.
Gerry schnallte sich Campbell mit dem Trageriemen auf den Rücken, den Danielle bei der Entführung getragen hatte.
Beide waren offensichtlich betäubt worden; jedoch kam Danielle zu sich, als Gerry den Finger drohend an den Abzug des Gewehrs legte und sich selbst und Danielle mit Benzin übergoss. Den Rest goss er in einem Kreis um sich und seine Geiseln aufs Eis. Dann fragte er nach mir.
Ich war noch in der Kneipe.
Dort kniete ich neben Phils Leiche und weinte an seiner Brust. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr hatte ich nicht mehr geweint, und jetzt, wo ich neben der Leiche meines ältesten Freundes kniete, strömten die Tränen nur so hervor. Ich fühlte mich beraubt, all der Dinge beraubt, durch die ich je gelernt hatte, mich und meine Umwelt zu definieren.
„Phil!“ schluchzte ich und legte den Kopf auf seine Brust. „Er fragt nach dir“, sagte Devin.
Ich blickte zu ihm hoch und fühlte mich weit weg von allem und jedem.
Auf Phils Hemd, dort wo mein Kopf gelegen hatte, bemerkte ich einen frischen Blutfleck. Mir fiel wieder ein, dass Gerry mich geschnitten hatte.
„Wer?“ fragte ich.
„Glynn“, antwortete Oscar. „Er sitzt auf dem Spielplatz fest. Mit Geiseln.“
„Habt ihr Scharfschützen?“
„Ja“, bestätigte Devin.
Ich zuckte mit den Achseln. „Dann erschießt ihn doch!“
„Geht nicht.“ Devin reichte mir ein Handtuch für die Wange. Dann erzählte mir Oscar von dem Baby, das sich Glynn auf den Rücken geschnallt hatte, und von der Schrotflinte, die er an den Kopf der Mutter geklebt hatte, und vom Benzin.
Es kam mir alles so irreal vor.
„Er hat Phil umgebracht“, klagte ich.
Devin fasste mich grob am Arm und zog mich auf die Beine. „Ja, Patrick, das hat er. Und jetzt bringt er vielleicht noch zwei Menschen um. Willst du uns helfen, das zu
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