Absender unbekannt
nur ihre Pflicht, schon klar, aber das sind echt erbärmliche Wichser, ehrlich!“ Er warf Phil ein Lächeln zu, aber es passte nicht zu seinen Worten, und plötzlich bemerkte ich einen Geruch, der schon seit unserem Eintreten dagewesen war. Es war ein schweißiger Moschusgeruch, vermischt mit dem Gestank dampfender, verfilzter Haare. Er kam nicht von Gerry, Phil oder mir, denn es war kein menschlicher Geruch. Es war der Geruch eines Tieres.
Ich warf einen Blick auf die Uhr hinter Gerry. Vor genau fünfzehn Minuten hatte ich mit Devin gesprochen.
Wo blieb er nur?
Ich spürte noch immer die Stelle, an der er mich eben mit der Hand gestreift hatte. Die Haut brannte.
Diese Hand hat Peter Stimovichs Augen herausgerissen. Phil saß nach rechts gelehnt da. Er beäugte etwas an der Ecke der Theke. Gerry sah uns beide an, und plötzlich löste sich sein Lächeln auf.
Ich spürte, dass das Schweigen schwer auf uns lastete und uns verdächtig machte, wusste aber nicht, wie ich es brechen sollte. Wieder stieg mir der Geruch in die Nase; er war unangenehm warm, und ich wusste, dass er von rechts kam, aus dem stockdunklen Billardraum.
„Midnight Rambler“ war vorbei, und einen Moment lang erfüllte Stille die Kneipe.
Ich konnte ein schwaches, kaum wahrnehmbares rhythmisches Geräusch aus dem Billardraum hören. Das Geräusch von Atem. Patton war irgendwo da hinten im Dunkeln und beobachtete uns. Sag was, Patrick. Sprich oder stirb.
„Und, Gerry“, fragte ich mit trockenem Mund, fast erstickte ich an den Worten, „was gibt’s Neues bei dir?“
„Nicht viel“, gab er zurück, doch jetzt war der Small talk vorbei. Gerry beobachtete Phil nun ganz unverhohlen.
„Abgesehen davon, dass du vom FBI verhört worden bist und so?“ grinste ich in dem Bemühen, wieder ungezwungen zu klingen. „Abgesehen davon, ja“, gab Gerry mit dem Blick auf Phil zurück. Nach „Midnight Rambler“ war jetzt „The Long Black Veil“ zu hören. Noch ein Lied über den Tod. Klasse.
Phil starrte etwas an der Ecke der Theke auf dem Boden an, das ich nicht sehen konnte.
„Phil“, fragte Gerry, „ist da was Interessantes?“
Phil blickte rasch hoch, die Augen fast geschlossen, als sei er völlig verblüfft.
„Nein, Gerry.“ Er lächelte und streckte die Hände aus. „Ich gucke nur die Schale mit dem Hundefutter da an, und weißt du, das Futter da drin ist feucht, als hätte Patton gerade was gefressen. Ist er wirklich oben?“
Es sollte wohl beiläufig klingen. Aber es war das genaue Gegenteil. Die Freundlichkeit wich aus Gerrys Augen und machte einer eiskalten Schwärze Platz. Er sah mich an, als sei ich eine Wanze unter dem Mikroskop.
Jetzt war jede Tarnung dahin.
Ich griff nach meiner Waffe, während draußen Autos mit einem Quietschen zum Halten kamen. Gerry fasste unter die Theke. Phil war noch immer wie erstarrt, als Gerry rief: „Jago!“
Das war nicht nur der Name einer Person bei Shakespeare, sondern ein Angriffsbefehl.
Meine Pistole hielt ich in der Hand, bevor Patton aus
dem Dunkel hervorsprang. Dann sah ich das kalte Glitzern einer Rasierklinge in Gerrys Hand.
Phil stöhnte: „O nein! Nein.“ Er duckte sich.
Patton sprang über Phils Schulter auf mich zu.
Gerrys Arm schnellte hervor, und ich wich ihm aus, doch schnitt er mir mit der Klinge in die Wange, und Patton prallte wie eine Abrissbirne gegen mich, so dass ich vom Stuhl fiel.
„Nein, Gerry! Nein!“ schrie Phil mit der Hand hinterm Gürtel, als suche er nach seiner Pistole.
Die Zähne des Hundes rutschten an meiner Stirn ab, er riss den Kopf zurück, öffnete die Schnauze und stürzte sich auf mein rechtes Auge.
Jemand schrie.
Ich griff Patton mit der freien Hand ins Nackenfell. Er gab ein komisches Geräusch von sich, eine wilde Mischung aus Geschrei und Gebell. Ich würgte ihn, doch entglitt mir der Muskel. Meine Hand rutschte am schweißigen Hundefell ab, und er stürzte sich wieder auf mein Gesicht.
Ich drückte ihm die Pistole gegen den Brustkorb, er trat mir mit den Hinterbeinen gegen den Arm, und als ich zweimal abdrückte, schlug sein Kopf nach hinten, als habe jemand seinen Namen gerufen. Dann zuckte er und schauderte. Seiner Schnauze entrang sich ein tiefer, zischender Ton. In meinen Händen wurde er weich, dann rutschte er rechts herunter zwischen die Barhocker.
Ich setzte mich auf und feuerte sechs Schüsse auf den Spiegel und die Flaschen hinter der Theke, doch Gerry war nicht mehr da. Phil lag neben seinem Barhocker auf dem Boden und griff sich an den
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