Absolute Power (Der Präsident)
nun?
Erneut las sie die Mitteilung. Ungläubigkeit hielt sie wie ein riesiges Schleppnetz gefangen, zog sie unaufhaltsam zu Boden.
KAPITEL 19
Vielen Dank für die mildtätige Spende. Man wird sie zu schätzen wissen. Danke auch für den weiteren Strick, den ich Ihnen um den Hals legen kann. Der bewußte Gegenstand steht übrigens nicht mehr zum Verkauf. Ich will ihn ja nicht für mich, aber die Bullen brauchen ihn vermutlich für den Prozeß. Ach ja, noch etwas: LECK MICH AM ARSCH!
Russell konnte nur nach Luft ringen. Weiterer Strick? Keinen klaren Gedanken konnte sie fassen, nichts funktionierte mehr. Zuerst wollte sie Burton anrufen, doch dann fiel ihr ein, daß er sich ja krank gemeldet hatte. Plötzlich dämmerte es ihr. Sie stürmte zum Fernseher. In den Sechs-Uhr-Nachrichten wurde gerade von einem aktuellen Knüller berichtet. Eine gemeinsame, gewagte Aktion der Middleton-County-Polizei und der Polizei von Alexandria City hatte zur Verhaftung eines Verdächtigen im Mordfall Christine Sullivan geführt. Ein unbekannter Schütze hatte einen Schuß abgefeuert. Vermutliches Ziel war der Verdächtige.
Russell betrachtete die Bilder vom Polizeirevier Middleton. Sie sah einen Mann die Stufen hinaufsteigen; er blickte stur geradeaus und versuchte in keiner Weise, sein Gesicht zu verbergen. Er war alt, weit älter, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Der Bursche wirkte wie ein Schuldirektor. Das war also der Mann, der sie beobachtet hatte ...
Der Gedanke, daß Luther Whitney für ein Verbrechen verhaftet worden war, das er gar nicht begangen hatte, kam ihr überhaupt nicht in den Sinn. Unternommen hätte sie deshalb ohnehin nichts. Als der Kameramann herumschwenkte, fiel ihr Blick auf Bill Burton. Collin stand hinter ihm. Die beiden hörten zu, während Lieutenent Seth Frank eine Erklärung an die Presse abgab.
Diese gottverdammten Idioten! Er saß in Haft! Er saß in Haft, und sie hatte einen Kassiber in der Hand, der ihr schwarz auf weiß bekundete, daß der Kerl alles tun würde, damit sie untergingen. Sie hatte Burton und Collin vertraut; der Präsident hatte ihnen vertraut. Doch die beiden hatten versagt, kläglich versagt. Es war ihr unbegreiflich, wie Burton so ruhig dastehen konnte, während ihre ganze Welt zu zerplatzen drohte wie ein plötzlich aufgebrauchter Stern.
Der nächste Gedanke war selbst für Russell überraschend. Sie rannte ins Badezimmer, riß das Medikamentenschränkchen auf und ergriff die erste Flasche, die sie erblickte. Wie viele Pillen würden reichen? Zehn? Hundert?
Sie zerrte am Deckel, doch mit den zitternden Händen gelang es ihr nicht, ihn zu öffnen. Solange fingerte sie daran herum, bis die Pillen schließlich ins Waschbecken kullerten. Eine Handvoll schöpfte sie heraus; dann hielt sie inne. Aus dem Spiegel starrte ihr ein Gesicht entgegen. Zum erstenmal bemerkte sie, wie sehr sie gealtert war. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, die Wangen waren eingefallen, und ihr Haar schien zusehends zu ergrauen.
Sie blickte auf die grüne Masse in ihrer Hand. Das brachte sie nicht fertig. Trotz allem, obwohl ihre Welt im Zusammenbruch begriffen war, brachte sie es nicht über sich. Sie spülte die Pillen im Waschbecken hinunter und schaltete das Licht aus. Dann rief sie im Büro des Senators an. Sie fühle sich nicht wohl und könne nicht kommen. Gerade als sie sich hingelegt hatte, klopfte es an der Tür.
Zuerst hörte es sich an wie entferntes Trommeln. Ob sie wohl einen Haftbefehl hatten? Gab es irgend etwas Belastendes im Haus? Die Nachricht! Sie zog sie aus der Tasche und warf sie in den Ofen. Während das Papier verbrannte und eine Flamme im Kamin aufloderte, glättete sie ihr Kleid, schlüpfte in die Schuhe und ging zur Tür.
Zum zweitenmal zuckte ein stechender Schmerz durch ihre Brust, als sie Bill Burton im Eingang erblickte. Wortlos trat er ein, schleuderte den Mantel auf die Couch und marschierte schnurstracks an die Bar.
Russell warf die Tür zu.
»Großartig gemacht, Burton. Einfach brillant. Sie haben sich hervorragend um alles gekümmert. Wo ist Ihr Anhängsel? Beim Augenarzt?«
Burton setzte sich mit einem Drink hin. »Halten Sie die Klappe und hören Sie zu.«
Normalerweise hätte eine derartige Bemerkung die Stabschefin auf die Palme getrieben. Doch sein Tonfall hielt sie zurück. Die Jacke spannte sich über seinem Pistolenhalfter. Mit einem Mal würde ihr bewußt, daß sie von bewaffneten Leuten umgeben war. Überall schienen sie zu sein. Mittlerweile
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