Accidental Witch 03 - Hexe Wider Willen
Bart glatt. Ach, es gibt viel zu viel zu tun, als dass ich mich in unnützen Gefühlen suhlen könnte. Dieses Gefühl des Verlustes war nur ein Fantasiegebilde. Er ging zu den Schreinern, die den Pavillon wieder aufbauten, um mit ihnen zu sprechen. Die Seitenwände konnten abgenommen werden. Das Dach verdoppelte die Spitze des Karussells.
Sobald er das Einhorn an seinem Platz festgeschraubt hatte, würde ein offenes Karussell mitten auf einer Wiese stehen, wie es schon vor hundert Jahren der Fall gewesen war – eine Wiese, die mit Lilien übersät war.
Ausgerechnet Lilien.
Warum war er nie früher auf diese Verbindung gekommen?
Er hatte den Duft erkannt, als er in Victorias Laden neben dem Einhorn gestanden hatte.
Victoria, die ihm gezeigt hatte, was ein Zuhause, eine Familie ist, Eisentiegel mit reifen Kürbissen, Kinder, die auf den Wiesen Drachen steigen ließen, hexenhafte Schwestern, sanfte Musik, rote Slips und beruhigende Lieder am Kamin. Verdammt, er vermisste sie.
Das Einhorn kam spät am Dreißigsten an. Er würde es am nächsten Morgen an seinen Platz bringen. Ausgerechnet Halloween. In Salem war an diesem Tag wahrscheinlich der Bär los. Er wünschte …
Rory warf seine Hose gegen die Wand und setzte sich aufs Bett. Seit er wieder hier war, hatte er sich tagsüber in die Arbeit gestürzt, aber nachts hatte er keine Kontrolle über seine Träume.
Um ihnen nicht anheimzufallen, nahm er sich ein Buch, einen guten Krimi, der ihn die ganze Nacht wach halten würde.
Das Karussell sah einsam aus, wie es in buntes Licht getaucht dastand
und sich zu einer Melodie drehte, die seltsam traurig klang.
‘Victoria würde nie mehr hierherkommen.
Rory ging um das Karussell herum und kam sich albern vor, in dem Kilt, den Victoria liebte.
Es tat ihm weh, ihre strahlenden Augen zu sehen, ihr Kleid, eine Spur der magischen Vergangenheit.
Er vermisste ihre Zärtlichkeit. Ihren Kuss. Sie. Er vermisste sie.
Er sprach ihren Namen aus.
Rief ihn.
Schrie ihn hinaus.
Sie kam nicht.
Er saß allein in dem Drachen-Triumphwagen, und der Drache weinte.
An Halloween wachte Rory mit einem Stöhnen auf, stand auf, schaute in den Badezimmerspiegel und knurrte, als er die salzigen Tränenspuren auf seinen Wangen sah. Und dann ging er unter die Dusche, wo Trauer keine Rolle spielte.
Noch vor dem Morgengrauen setzte er das Einhorn an seinen angestammten Platz, zum ersten Mal seit hundert Jahren.
Nachdem die Arbeiter eingetroffen waren, gaben sie Rory ihr Wort, dass alles funktionierte. Er bat sie zurückzutreten, dachte noch einmal daran, was er für diesen Moment alles getan hatte, und zog den Hebel.
Keine Lichter. Keine Musik. Das Karussell drehte sich nicht. Die Handwerker überprüften ihre Arbeit. Jeder Bolzen und jedes Zahnrad saß perfekt, aber nichts konnte den Unsterblichen Klassiker zum Laufen bringen.
Was hätte es geändert, wenn sie es geschafft hätten?
Einer nach dem anderen und dann in Scharen verließen die Dorfbewohner ihren Außenseiter, Rory wurde vom Retter zum Versager.
Er war einsam aufgewachsen, aber das war ihm egal gewesen, denn er hatte ein Ziel gehabt. Jetzt war die Erkenntnis, dass er immer noch völlig allein war, ein Schlag ins Gesicht.
Rory überprüfte die Arbeiten und betätigte noch einmal den Hebel, ohne Erfolg. Dann setzte er sich in den Drachen – Triumphwagen, stundenlang, so kam es ihm jedenfalls vor. Er hatte sein Ziel erreicht, aber ohne Victoria waren seine Träume gestorben.
Stattdessen lag ein Meer der Einsamkeit vor ihm.
Er hätte genauso gut Drummond auf seine alten Tage sein können.
Rory setzte sich auf, als ihm schlagartig der Zusammenhang zwischen Drummonds und seiner eigenen Verrücktheit auffiel. Beide hatten auf äußeren Druck hin ihre Gefühle verleugnet. Rory hatte das Bild von Victoria vor Augen, wie sie in das Geheimfach des Einhorns hineingriff.
Er stand auf und schlängelte sich durch die Sternzeichenfiguren, immer schneller, bis er das Einhorn erreichte, löste den Riegel an dem Geheimfach und öffnete es, doch das Pergamentblatt war zu alt, um von Victoria zu sein.
Eine Welle der Enttäuschung überschwemmte ihn, bis er das zerfledderte alte Gedicht las.
Wie ein Karussell ist das Leben eine schwindelerregende Nummer,
Zunächst voller Farbe, Musik und ohne Kummer,
Dann jede Menge Pferdchen und Einhörner kaum.
Später musst du durch die eine oder andere Krise,
Und mit Wind in den Haaren verwirklichen deinen Traum.
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