Die Braut der Bestie (German Edition)
Kapitel 1
G isela starrte aus dem Fenster in den Burghof hinab. Dort hatten sich riesige Pfützen gebildet und jeder, der den Hof trockenen Fußes überqueren wollte, musste weite Bögen gehen. Seit sie hier auf Burg Trugstein angekommen war, hatte es ohne Unterlass geregnet. Es war, als wollte das Wetter sich mit aller Macht der Trostlosigkeit ihrer Lage anpassen. Sie war nicht freiwillig hier. Sie war kein Gast, auch wenn man sie so nannte. Doch eigentlich war sie eine Gefangene. Morgen würde sie mit der Bestie von Trugstein vor den Traualtar treten. Auf allerhöchsten Befehl. König Ludwig selbst hatte diese Ehe für sie arrangiert, nachdem ihr Bruder Fulk nicht von den Wikingern zurückgekehrt war und sie damit allein und ohne männlichen Schutz dastand. Wäre sie ein Mann gewesen, sie hieße jetzt Graf von Rabenfeld. Doch wie die Dinge standen, war sie eine Frau und konnte den Titel ihres für tot erklärten Bruders nicht übernehmen. Alles würde an ihren Gatten fallen. Alberic von Trugstein oder besser bekannt als die
Bestie von Trugstein
.
Würde Gisela nicht das ewige Höllenfeuer fürchten, hätte sie sich einfach aus dem Fenster in den Tod gestürzt. Die Versuchung war groß. Was war schlimmer? Ein Leben an der Seite eines Monsters? Oder das Fegefeuer? Tränen rannen über die blassen Wangen, doch sie hielt den Kopf aufrecht, die schmalen Schultern gestrafft.
Ihr Blick fiel auf die eindrucksvolle Gestalt eines Mannes, der über den Burghof schritt. Sein Gesicht lag im Schatten, doch sie wusste, wer er war. Seine riesige Erscheinung war unverkennbar. Er kam anscheinend vom Kampftraining. Das lange Haar stand ihm wirr vom Kopf. Haar, das so schwarz war wie sein Inneres. Manche flüsterten hinter vorgehaltener Hand, dass er seine Seele an den Teufel verkauft hätte. Er war ein Mann, den man überall fürchtete. Ruchlos, grausam, ein Barbar, nicht besser als diese wilden Nordmänner, die ihren Bruder auf dem Gewissen hatten.
Oh, warum hatte alles so kommen müssen? Ylfa, die Wikingerin, die Rabenfeld mit ihren Männern überfallen hatte, war ihr eine gute Freundin geworden. Den Angriff hatte ihr Bruder Fulk und seine Männer erfolgreich abgewehrt und Ylfa sowie drei ihrer Männer waren gefangen genommen worden. Zunächst wusste niemand, dass der Anführer der wilden Horde kein Bursche, sondern eine Frau war. Ylfa hatte ihre langen blonden Haare unter einem Wolfsfell verborgen und ihr Gesicht mit Ruß beschmiert, doch Gisela hatte ihre Tarnung recht schnell durchschaut. Als auch ihr Bruder hinter das Geheimnis seines Gefangenen gekommen war, hatte er die Wikingerin zu seiner Leibeigenen gemacht. Zwischen ihnen war eine starke Liebe entbrannt und Fulk hätte Ylfa wohl geheiratet, wenn nicht der König bestimmt hätte, dass entweder ihr Bruder die Schwester von Alberic, Jungfer Genovefa, heirate oder Gisela sich mit Alberic selbst vermählte. Um seiner Schwester diese Ehe zu ersparen, hatte er schweren Herzens Ylfa zu ihrem Vater zurückgeschickt. Doch Ylfa musste ihren Vater unterwegs verpasst haben, denn wenig später tauchte Erik Olafsson, Jarl von Kalhar, auf der Festung auf und nach einem Zweikampf mit Fulk schleppte der Wikinger ihren Bruder davon. Seitdem hatte sie ihn nicht wieder gesehen. Es waren Monate vergangen. Der Winter war in den Frühling übergegangen und von Fulk gab es kein Lebenszeichen. Ungeduldig und nicht Willens, noch länger zu warten, hatte König Ludwig beschlossen, dass sie Alberic heiraten musste.
Die Tür öffnete sich, doch Gisela wandte sich nicht um. Sie starrte immer noch auf ihren zukünftigen Gatten hinab. Er diskutierte mit ein paar Männern, warf plötzlich den Kopf in den Nacken und lachte lauthals.
Dieser Bastard hat gut lachen
, dachte Gisela grimmig.
„Jungfer Gisela, die Schneiderin ist da“, erklang die Stimme eines der Dienstmädchen.
Seufzend wandte Gisela sich um.
„Nun gut. Schick sie herein“, sagte sie kraftlos.
Die Schneiderin, eine altjüngferlich wirkende Frau Mitte zwanzig mit plumper Figur und dem Gesicht einer Feldmaus, trat mit ihren zwei Helferinnen ins Zimmer.
„Jungfer Gisela, das Kleid für dich ist so gut wie fertig. Wenn du es noch einmal anprobieren willst, damit ich die letzten Änderungen vornehmen kann“, sagte das Mausgesicht.
Gefügig ließ Gisela die Anprobe über sich ergehen. Sie hatte ohnehin keine andere Wahl. Eigentlich hatte sie gehofft, im Sommer ihre Jugendliebe Brice zu heiraten, jedoch hatte sich diese Hoffnung
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