Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
wichtig«, sagte ich und klaubte mir einen gebrauchten Teebeutel vom Ãrmel. Die Tonne mit meinen Lieblingen rumpelte davon. Ich hob die Hand zum letzten GruÃ. Ich werde euch vermissen, meine beiden Freunde.
Jede Socke erzählt eine Geschichte
Wer länger läuft, bekommt zwangsläufig ein Problem namens Equipment-Overload. Ein halbes Dutzend Schuhe für unterschiedliche Untergründe, acht Hosen für diverse Klimazonen, dünne, mittlere und dicke Hemden, die sich mit den entsprechenden Jacken kombinieren lassen zu unzähligen auf Zehntelgrade abgestimmten Zwiebelschichten. Und die Mützen, die Brustgurte, die Vaselinepötte, Power-Gel-Beutel vom letzten Jahr, die Regenjacke, etwa ein Dutzend Socken, Stirnbänder, Sicherheitsnadeln, der Zeitmess-Chip, ach ja, und die Finisher-T-Shirts von allen Wettbewerben.
Schon richtig: Man wird nicht alle diese Klamotten jemals wieder tragen. Aber darum geht es auch gar nicht. Es sind die Erinnerungen an groÃe Siege oder heldenhafte Niederlagen. Jede Socke erzählt eine Geschichte. Wenn beim allerbesten Willen kein Platz mehr ist, hilft nur ein radikales Gesetz: Für jedes neue Teil muss ein altes in den Müll. Schmerzhaft, aber wirkungsvoll.
Im Internet kann sich der Freak seine Turnschuhe zusammenbasteln. Aber wer will schon aussehen wie ein Papagei.
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Ich bin traurig. Einsam. Sie sind fort. Mona hat uns auseinander gerissen, meine schönen, gar nicht so alten Laufschuhe und mich. Ich summe eine der immer gültigen Weisen von Peter Maffay: »Und wenn Schuh geht, dann geht auch ein Teil von mir â¦Â« Ich bin zu traurig zum Laufen. Ich überlege, wie ich mich an Mona rächen kann. Ihre guten Stilettos passen nicht in die Moulinette. Glück für sie. Eigentlich gibt es nur einen Weg, mich aufzuheitern. Es ist das Einzige, was Frauen und Sportler gemeinsam haben: Sie sind Fetischisten, die Trost und Erregung nur beim Schuhekaufen finden.
Schon seit längerem will ich mir meinen eigenen Schuh im Internet bauen. Jeder kann sich dort sein privates Modell zusammenbasteln. Die Dinger sind nicht schön, aber teuer und total besonders. Ãhneln den Beuteltretern, die der Wirt trägt, der immer »Kuckuck« macht in »Asterix bei den Schweizern«. Der fortgeschrittene Athlet trägt sie in der Freizeit, zur Regeneration. Die Hacke sieht aus wie eine kenianische Ferse nach 80 000 Kilometern barfuà auf Savannenboden, platt und breit. Die Sohle besteht aus unzähligen Einzelteilen. Laufen darauf fühlt sich bestimmt an wie auf einem Grillrost. Egal, ob die Dinger taugen:
Ich muss sie haben. Ich werde mir das ultimative Paar bauen. Einziges Problem: Woher soll ich meine GröÃe wissen? Also muss ich doch ins Geschäft.
Der Laden ist kein Laden, sondern ein Dom. Bilder von Sportlern, zwanzig Meter hoch, Ikonen des Körperkults. Helden mit Muskeln, umspannt von pornös engen Trendklamotten. Ich bin klein und dick. Wo sind die Asterix-Treter? Ich will raus. Alles zu perfekt hier.
Das ist der Grund, warum ich viel lieber im Laufgeschäft einkaufe. Reelles Linoleum auf dem Boden, überwiegend erträglich gelaunte Verkäufer, die meist etwas Ahnung haben, und an der Kasse keine gepiercten Ost-Bräute mit sattem Karminrot im Haar. Immer gibt es Sonderangebote hier und Leute, die noch älter, fetter und langsamer aussehen als ich.
Im Showroom der Makellosen sind dagegen alle jünger als ich, fitter und rennen mit bunten Gummibändern am Arm umher. Einst trug man Transparente, wenn man der Welt was mitzuteilen hatte, was die gar nicht wissen mochte. Früher Rinderwahn, jetzt Bekennerwahn, mit Weckgummis. Weià für Afrikaner und schwarz dagegen. Oder umgekehrt. Braun für die Sächsische Schweiz und Rot für Gysi. Grün für das Moos auf Jürgen Trittin. Manche tragen auch schwarzrotgelb: für Afrikaner, Gysi und gegen Inkontinenz. Demo light, prima Sache. Nächste Stufe des Protests sind bunte Hosentaschenfutter. Dann sieht es wenigstens keiner mehr.
Ich will ein goldenes Gummi, das heiÃt: Platz da für Power-Laufklamotten-Shopper. Ich habe mich in den ersten Stock vorgekämpft. Die bauchfreie Verkäuferin mit dem exotischen Blick lächelt mich an, dass ich, also, ääh ⦠»Schuhe«, stammle ich. »Ham wa«, entgegnet sie mit Thüringer Schmelz. Ich wette, sie heiÃt Mandy. »Free«, flüstere ich, »GröÃe
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