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Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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45.« Die Dinger passen auf Anhieb. In einem Moment, als Miss Mandy Thüringen gerade wegschaut, mach ich mich aus dem Staub. Ich will mir doch meinen eigenen Schuh bauen.

    Zu Hause gleich an den Rechner. Sieben Grundfarben, da fällt die Entscheidung nicht so schwer. Obsidian, Eis oder Mint – eigentlich alles. Geht aber nicht. Also Eis. Für coole Typen. 19 Farben Innenfutter. Chrom-Gelb? Pink-Eis? Oder Clementine? Ich nehme Sport Royal. Klingt edel.
    Seitenteil, ebenfalls 19 Optionen. Ich mache die Augen zu und fahre mit der Maus umher. Sie bleibt auf Piment stehen. Das Display zeigt mein Modell an. Grausam. Wie Ronald McDonald. So geht das nicht. Ich klicke mehr schwarz und weiß herbei. Schnürsenkel vielleicht doch in Limone, als verwegener Farbtupfer? Nee, sieht aus wie Bill Kaulitz. Alles zurück auf weiß. Die Sohle sowieso. Und noch ein bisschen schwarz. Fertig. Geht doch.
    Hmm, toller Erfolg. Kaum ist eine Stunde rum, habe ich am Bildschirm ganz allein einen schwarzweißen Turnschuh zusammengefrickelt. Hätte ich im Laden in der halben Zeit bekommen. Und vor allem gleich mitnehmen können. So dauert es vier Wochen. Und Mandy ist auch nicht da.
    Dafür kommt der Morgen, an dem der Paketbote klingelt. Ich werde den Karton entgegennehmen, vor Monas Augen die neuen Fußschmeichler auspacken und liebkosen. »Schon wieder neue Laufschuhe«, wird sie zetern, »du hast doch mindestens sieben Paar.« – »Acht«, werde ich sie lässig korrigieren. Sie wird grün werden vor Ärger. Der Kampf geht weiter.

Überschätzt: Schuhe
    Gerade Anfänger wollen immer wissen, welche Schuhe sie denn nun anschaffen sollen. Achilles ist sich sicher, dass die Schuhfrage bei weitem überschätzt wird, sofern man nicht 50 Kilometer und mehr die Woche rennt oder tatsächlich massive Fuß- oder Hüftprobleme hat. Dann hilft sowieso nur der Orthopäde, am besten in Zusammenarbeit mit einem guten Schuhmacher. Für alle Normalläufer reichen ein paar günstige Treter allemal. Aber Hände weg vom Discounter-Schuh. Die meisten Fachgeschäfte bieten ebenfalls bezahlbare Einsteigermodelle an. Für einen Beitrag im Frühstücks-Fernsehen durfte Achilles mal Schuhe durchsägen. In der Tat ein gewaltiger Unterschied, wieviel Hightech Qualitätsmarken im Sohleninneren zu bieten haben; die Billigtreter dagegen nur Wabbelschaumstoff.
Bevor man sich das Luxusmodell für 150 Euro aufschwatzen lässt, tut es ein Neutralschuh für deutlich unter 100 Euro auch. Dann lieber bald das zweite Paar anschaffen. Wechselnde Schuhe dankt der Fuß auf jeden Fall.

Der Marathon rückt näher. Die Angst wird größer. Hat der Athlet an alles gedacht? Schafft er die Strecke? Wochen der Albträume.
    Â 
    Das Publikum tobt. Ich laufe in ein Meer von Kameras. Direkt vor mir ein Afrikaner. Ich blicke auf die Zeitnahme: 2:04,13h. »Weltrekord!«, brüllt Kommentator Hiepen. Ich reiße die Arme empor. Es regnet Blumen, Teddybären, schweinefleischfarbene Unterwäsche, noch warm.
    Doch was ist das für eine Stimme? »Passagiere für Lufthansa Flug LH 4794 nach Heathrow bitte zum Terminal 4.« Die Zeitnahme ist eine Abflugtafel. Der Afrikaner steht am Check-In. Er hat den Marathon vor Stunden beendet und fliegt zum nächsten Lauf. Und ich liege auf der Strecke in der Nähe des Ohlsdorfer Friedhofes im Unterzuckerdelirium. Kräftige Rot-Kreuz-Kerle wollen mich auf eine Trage heben. Ich schlage um mich. Lasst mich los. Ich kann allein laufen. Ich will ins Ziel. Ins Ziel. Ziieeel …
    Patsch. Mona kniet über mir. Sie hat mir eine gescheuert. »Achim, es reicht«, knurrt sie. »Es ist halb vier, und du strampelst schon die dritte Nacht wie ein Vollidiot.« Die Frau ahnt nicht, wie es in einem Debütanten wütet. Seit Wochen erzählt sie überall herum, dass ihr Achim in Hamburg Marathon läuft, und zwar in dieser stolzen Ehefrauentonlage, als sei ich der schwarze Schöneberger.

    Ich bin einer der lahmsten von fast 40 000 Startern, aber alle im Haus denken, ich sei gut. Ich habe die Wohnungstür noch nicht geöffnet, da fällt mich Frau Moll an, Supi-Roland oder eine von den Schwuletten: Welche Zeit? Gut trainiert? Sehen wir dich im Fernsehen? Wie heißen die anderen Favoriten? Preisgeld? Weiß ich doch nicht. Hauptsache ankommen, sage ich sehr ernst. Aber alle glauben, das sei kokett. Wer den

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