Adam - Die letzte Chance der Menschheit: Band 1 (German Edition)
mich Ta Un nennen«, sagte der Fremde.
»Ta Un«, wiederholte Henri und verlor sich in den Augen seines Gegenübers. Die Iris war ein einziger großer schwarzer Punkt. Es existierte keine Pupille. Henri beunruhigte das nicht im Geringsten.
»Sieh noch einmal in den Spiegel.«
Henri folgte Ta Un in den Flur. Der Anblick traf ihn unvorbereitet und direkt. Er stolperte rückwärts und spürte die Wand im Rücken. Dann ging er ganz langsam wieder vorwärts und streckte die Hand nach seinem Spiegelbild aus. Es veränderte sich nicht. Es zeigte keinen stark übergewichtigen Mann von weit über vierzig Jahren und schütterem Haar. Henri blickte ein schlanker, überaus gut aussehender Mann mit vollem dunklem Haar entgegen, der kaum die Zwanzig überschritten haben mochte. Der Körper war durchtrainiert und makellos. Das Verblüffendste war, dass er jede Bewegung von Henri absolut zeitgleich imitierte.
Henri hob seine Hand auf Augenhöhe.
Schlanke Finger anstelle der viel zu kurzen Stummel, für die er sich immer geschämt hatte.
Henri Dannerups Äußeres einschließlich der Kleidung war komplett verändert.
»Haben Sie das gemacht, Ta Un ?«
Ta Un nickte. »Jeder wird dich jetzt so sehen, falls du es wünschst.«
»Ob ich mir das wünsche?« Henri jauchzte laut auf und drehte sich im Kreis, um sich im Spiegel von allen Seiten zu betrachten. Anstelle der ausgebeulten Trainingshose und dem schmutzigen T-Shirt trug er eine Jeans und ein weißes Hemd. Er zupfte an dem Ärmel. »Ich kann es anfassen. Es ist echt.«
»Es ist eine perfekte Täuschung.« Ta Un klatschte in die Hände. Der feine weiße Stoff verwandelte sich unter Henris Fingern in nackte Haut. Im Spiegel glotzte ihn wieder der alte Henri Dannerup an.
»Oh nein!«, jammerte er.
»Hör zu.« Ta Uns Stimme klang jetzt sehr eindringlich. »Wenn du willst, kannst du jederzeit so aussehen wie gerade. Wann immer dir danach ist. Oder wenn es dir nützlich erscheint.«
Henri schniefte, dann grinste er vor Freude. »Ich darf es selbst bestimmen. Das ist gut. Schließlich kann ich ja so nicht zur Arbeit gehen.«
»Genau«, bestätigte Ta Un.
»Wie funktioniert das?«, fragte Henri.
»Wichtig ist für dich nur, dass es funktioniert.« Die leblosen Augen fixierten Henri. »Es ist mein Geschenk für dich. Allerdings muss ich dich zuvor um einen Gefallen bitten.«
Ganz kurz schlichen sich Zweifel wie flüchtiger Rauch in Henris Gedanken. Und Angst. Aber als er wieder in Ta Uns Augen blickte, verflüchtigten sich alle schlechten Gefühle.
»Wer bist du?«, wagte er kaum hörbar zu fragen.
»Dein allerbester Freund«, erwiderte der Fremde, der sich Ta Un nannte.
***
Nachdem Kapstadt 2017 zum Sitz der südafrikanischen Regierung erklärt wurde, bezog das Innenministerium das ehemalige Kongresszentrum in unmittelbarer Nähe des Hafens. Der Polizeiwagen hielt direkt vor dem gläsernen Hochhaus mit dem geschwungenen Vorbau, der an den Bug eines Schiffes erinnerte.
Mr Miller öffnete die Tür und sprang aus dem Wagen.
»Du wirst erwartet«, sagte er zu Adam.
»Hier?« Adam sah zu den schwer bewaffneten Soldaten, die den Eingang des Gebäudes sicherten.
Virginia Zimunga war nach ihm ausgestiegen und schob ihn sanft vorwärts. »Wir müssen Bericht erstatten.«
»Was ist mit den anderen?«
»Zunächst will man nur mit dir sprechen«, erwiderte die Zauberin.
Mr Miller zeigte den Wachen seinen Ausweis, und sie wurden zu einem der Aufzüge begleitet. Die Kabine stoppte in der siebten Etage.
Ein weicher Teppichboden verschluckte die Geräusche ihrer Schritte. An den Wänden hingen Gemälde und vergrößerte Fotografien, die Szenen aus der Geschichte Südafrikas zeigten. Es herrschte eine so absolute Stille, dass sich Adam fragte, ob in dieser Etage überhaupt jemand arbeitete. Der Ort schien völlig isoliert von der lärmenden Stadt zu sein.
Virginia Zimunga deutete auf eine Sitzecke mit bequemen Polstersesseln.
»Warte hier einen Moment. Wir holen dich gleich.«
Zusammen mit Mr Miller ging sie über den Flur zu einer Tür. Während alle anderen Türen mit dreistelligen Zahlen versehen waren, hatte man bei dieser auf eine Nummerierung verzichtet. Adam beobachtete, wie Miller seine Jacke glättete und den Kragen penibel ordnete, ehe er mit Virginia Zimunga in das Zimmer trat.
Adam blickte durch eine riesige Fensterfront auf die Stadt hinab. Die Abenddämmerung zog auf. Trotz der Energiesparmaßnahmen glitzerte Kapstadts Zentrum wie ein Meer aus Diamanten. Aber
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