Adams Pech, die Welt zu retten
letzten Proviantkrümel an die Wildenten, die so zeitig im Frühling noch ein wenig scheu waren.
Es war bereits später Nachmittag, als sie zum Auto gingen. Aatami wollte jedem seiner Kinder noch ein Eis kaufen, als sie an den Kiosk kamen, der kurz vor der Brücke stand. Daraus wurde jedoch nichts, denn vor dem Kiosk wogte eine dichte Menschenmenge, und lautes Gezeter war zu hören. Inmitten der Leute wand sich ein mageres, faltiges altes Weib in zerfetzter Kleidung, offenbar eine geistig verwirrte Bettlerin Sie hatte sich, wie die Leute erzählten, am Kiosk ein Brötchen stibitzt und es verschlungen, ehe jemand eingreifen konnte. Die Alte war nicht bereit, ihren Verzehr zu bezahlen, im Gegenteil, sie griff die Umstehenden an, biss und kratzte. Sie steigerte sich in eine aberwitzige Ekstase, kreischte, sprang herum und verfluchte alle, die sie zu beruhigen versuchten. Ein Fenster des Kiosks ging zu Bruch. Aatami fand die Szene unwürdig und peinlich. Er wollte hingehen und den Diebstahl bezahlen, doch dann fiel ihm ein, dass er nicht mehr genügend Geld besaß, um die Situation zu klären. Er war wütend über seine eigene Unzulänglichkeit, darüber, dass sein Geld nicht mal für die nötigsten Ausgaben reichte.
Die Alte trat den Rückzug über die Brücke an, begleitet von einer Menschenmenge, die freilich nichts ausrichten konnte, jemand verlangte nach der Polizei, doch das war sinnlos. Die lärmende Menge füllte die ganze Brücke. In Tamminiemi, vor einer düsteren Steinvilla, rief die Alte nach Kekkonen, ihr war wohl eingefallen, dass der frühere Staatspräsident in diesem Haus gewohnt hatte. Aber Kekkonen kam nicht heraus, half nicht der in Bedrängnis geratenen Bürgerin, er war schon seit Jahren tot. Die Alte gab nicht auf, sondern rannte überraschend flink geradewegs in die Villa hin-ein, die Türen knallten, und von drinnen waren Geschrei und Gekreisch zu hören. Unmittelbar darauf kam sie wieder heraus, flüchtete und verschwand hinter einem Nebengebäude. Aatami konnte noch sehen, dass sie eine türkisfarbene Glasvase, mehr als einen halben Meter hoch, unter dem Arm trug. Zwei Mitarbeiterinnen des Kekkonen-Museums versuchten die Diebin einzu-fangen, aber die flinke Alte verschwand in Richtung Ramsaynranta.
Die Museumsangestellten kehrten keuchend von ihrer Verfolgungsjagd zurück. Sie waren verzweifelt, denn die Diebin hatte eine wertvolle Vase aus Bergkristall gestohlen, die Präsident Kekkonen seinerzeit von Kim Il Sung, dem Staatschef der Volksrepublik Korea, geschenkt bekommen hatte.
Das Publikum beklagte die schlimmen Zeiten, da sich die Diebe und Bettler schon am Nationaleigentum Finnlands vergriffen, weil sie den Hals nicht vollkriegten. Und was wollte so ein Lumpenweib überhaupt mit der Vase des Präsidenten anstellen?
Als Aatami nach Tattarisuo zurückkehrte, sah er, dass vor seiner Werkstatt ein wohlbekannter Volvo parkte, darin saß Lauras neuer Ehemann, der Sportlehrer Esko Loittoperä. Laura hatte mit dem Mann auch seinen Namen übernommen und nannte sich offiziell Rymättylä-Loittoperä. Der Name erinnerte Aatami stets an Fototechnik, an die loittorenkaat, die Zwischenringe zur Verlängerung der Objektive, doch für sehr objektiv hielt er den neuen Mann seiner Frau nicht.
Der Sportlehrer stieg aus seinem Wagen und trat zu Aatami.
»Ihr hattet wohl einen schönen Tag in Seurassaan? Ich finde es wunderbar, dass die Kleinen ihren Papa treffen können, obwohl es Rückstände bei den Unterhaltszahlungen gibt. Laura und ich möchten uns nicht zwischen Vater und Kinder stellen.«
Aatami fragte den Mann kurz angebunden, was er in Tattarisuo wolle. Brauchte er Akkus? Aatami trug die leere Kühltasche in seine Behausung. Sein Nachfolger in der Ehe kam hinterher.
»Reden wir mal von Mann zu Mann«, fing Loittoperä an. »Laura und ich meinen, dass es für deine Treffen mit den Kindern schwierig werden könnte, falls du die Rückstände nicht zahlst.«
Aatami erklärte daraufhin, dass sein Geld behördli-cherseits eingetrieben werde, im Rahmen der Gesamt-vollstreckung, dass er jedoch trotzdem vor ein paar Tagen die Rückstände spürbar verringert habe. Im Frühling verkauften sich die Akkus gut.
»Eben, eben. Laura und ich sind der Meinung, dass du die ganze Summe auf einmal erstatten und zusätz-lich für einen Monat im Voraus bezahlen könntest. Bald beginnen unsere Sommerferien, wir sind ja beide Leh-rer.«
»So auf die Schnelle kann ich kein Urlaubsgeld für euch aufbringen. Im
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