Ärger mit dem Borstenvieh
es nur noch vereinzelte und verkrüppelte Bäume gab. Die isoliert liegenden Bauernhöfe waren bezeichnend für die Entschlossenheit, die man brauchte, um aus diesem kargen Land genug zum Leben herauszuholen. Überall konnte man die behenden, kleinen walisischen Mutterschafe und ihre Lämmer mit den langen Schwänzen sehen.
Als wir Rast machten für unser Picknick, kam hinter uns ein Bauer mit seinen beiden Hirtenhunden den Hügel herunter; die Hunde mußten auf etwa dreihundert Schafe und Lämmer aufpassen. Der Bauer gab ihnen nur hin und wieder Befehle, er war froh, daß er die Arbeit seinen beiden Helfern überlassen konnte. Die Hunde arbeiteten gut »Pfote in Pfote« miteinander, wobei die Hündin mit der ergrauten Schnauze ganz deutlich das dominierende Tier war. Der jüngere Hund blickte ständig zu ihr hin, um herauszufinden, was er tun mußte. Dann raste er los und half ihr bei ihren Aktionen.
»Mutter und Sohn«, sagte der Farmer. Er war ein sehr schlanker Waliser mit krummem Rücken und trug einen alten Mantel, der mit einem Strick zugebunden war, dazu ausgetretene Gummistiefel.
»Wie steht’s mit dem Lammen in diesem Jahr?« fragte ich.
Er zögerte mit der Antwort aus Furcht, Verhängnis heraufzubeschwören. »Besser als sonst, aber wir sind noch nicht am Ende. Man weiß das nie genau im voraus.«
»Ja, niemand weiß genau was kommt«, stimmte ich ihm zu.
Die Hunde hatten in der Zwischenzeit die Herde über die Straße getrieben und führten sie jetzt auf das Bauernhaus zu.
»Ich muß versuchen, sie einzuholen«, sagte er lächelnd und grüßte Shirley, indem er seinen Finger an die Mütze führte. »Ich wünsch’ einen schönen Tag am Meer.«
Es regnete, als wir dort ankamen. Wie graues Blei sahen die Wellen aus. Das Wasser war zwar zu kalt für die beiden Kleinen, um darin rumplantschen zu können, aber trotzdem hatte der Ausflug Spaß gemacht. Es war eine angenehme Unterbrechung der sonst üblichen Routine. Wir entdeckten ein kleines Restaurant, in dem wir gebratenen Fisch und Chips aßen, bevor wir uns wieder auf den Heimweg machten.
Als wir auf Egerton ankamen, hatte John bereits das abendliche Melken erledigt und war beim Aufräumen. Die Kleinen hatten ihm als Mitbringsel eine Zuckerstange gekauft. Sie überreichten ihm das Geschenk, empfingen seinen Dank und halfen ihm dann anschließend schamlos, es aufzunaschen.
Als ich zum Haarschneiden in die Stadt fuhr, drehte sich das Gespräch wieder um Schafe. Der Frisör war ein alter, gebeugter Mann, der nichts im Sinn hatte mit modernen Stilrichtungen. Die meiste Zeit seines Berufslebens hatte er als Hirte oben am Berg, der hinter Egerton lag, verbracht.
Während er arbeitete, sagte er mit seiner leisen, etwas piepsigen Stimme: »Ich mußte damals auf eine Herde von etwa fünfhundert Tieren aufpassen. Drei Hunde halfen mir dabei, sonst niemand. Außer bei der Schur. Dann halfen schon mal Frau und Kinder mit. Beim Packen und so. Is’ anstrengend gewesen für meinen Rücken, ‘s geht, solange man jung, aber nicht, wenn man alt und steif ist. Manchmal war der Rücken so schlimm, daß ich nicht mal meine eigenen Schuhe zubinden konnte... Und man arbeitet Tag und Nacht und wird nur schlecht bezahlt. Aber irgendwie hatte es mir Freude gemacht. Unsere Kinder waren noch klein. Ich finde, der Krieg hat alles verdorben — alles ist seitdem anders geworden. Die Kinder wurden groß und gingen aus dem Haus. Leben entweder in großen Städten oder in Übersee. Mein Ältester ist in Australien. Meine Enkelkinder hab’ ich noch nie gesehen. Da es meiner Frau gesundheitlich immer schlechter ging, Rheuma und so, gab ich alles auf und hab’ hier mit dem Haarschneiden angefangen.
Jetzt hab’ ich diesen Laden gemietet, unsere Wohnung liegt darüber. Die Frau ist zwar einigermaßen glücklich, aber, wenn ich ehrlich bin, muß ich sagen, daß mir manchmal die Berge und die Schafe fehlen. Gelegentlich, an meinen freien Tagen, nehm’ ich ‘n Bus, fahr’ da raus und lauf’ da rum, wo ich früher gearbeitet habe. Lauf’ nur so da rum. Unser altes Haus ist jetzt ganz verfallen, und die Schafherde ist nur noch halb so groß. Keiner will sich mehr um sie kümmern, glaub’ ich. War lange nicht da draußen. Vielleicht, wenn jetzt das bessere Wetter kommt...«
Ein alter Mann, der als Kunde oder Freund auf ihn wartete, sagte: »Früher gab’s noch nicht diese Hetzerei. Man nahm sich damals noch die Zeit, sich umzusehen und rauszufinden, was hinter einem los
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