Aerzte zum verlieben Band 48
wie in Italien –, und ihre Tage waren ausgefüllt.
Sie engagierte sich aktiver als vorher für wohltätige Zwecke und sammelte erfolgreich Spenden für Flüchtlingslager in Afrika. Und kannten nicht auch andere Leute diese Leere? Sollte sie nicht dankbar sein für das, was sie hatte? Für das, was auf sie wartete? Bald würde sie für eine der Hilfsorganisationen nach Afrika gehen. Dort würde sie vielleicht endlich das Gefühl bekommen, etwas wirklich Sinnvolles zu tun.
Sie verbannte eine vorwitzige Locke wieder in die Hochsteckfrisur und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Bald musste sie gehen.
Beim Anblick ihres Spiegelbilds seufzte sie leise. Ein blasses Gesicht mit dunklen Schatten unter den Augen starrte sie an. War es wirklich schon ein Jahr her, dass sie Dante zuletzt gesehen hatte? Heute Abend sollte ein Dr. Salvatore über die Hilfsorganisation sprechen. Zufällig arbeitete er am selben Florentiner Krankenhaus wie Dante. Als Alice seinen Namen auf dem Programm gelesen hatte, hatte sie sich vorgenommen, ihn unauffällig nach Dante zu fragen.
Natürlich war es reine Selbstquälerei, besonders falls sich herausstellen sollte, dass Dante verlobt oder – schlimmer – sogar verheiratet war. Als sie damals zurückgeflogen war, ohne sich von Dante zu verabschieden, hatte sie sich eingeredet, es wäre das Beste für sie beide. Aber wieso sehnte sich dann ihr Herz immer noch nach ihm?
Nein, sie durfte nicht an ihn denken. Nicht heute Abend. Auch wenn eigentlich kein Tag verging, an dem sie nicht seine dunkelbraunen Augen vor sich sah oder sein draufgängerisches Lächeln. Das war Vergangenheit. Sie lebte das Leben, das ihr bestimmt war, und Italien war ein Traum gewesen. Ein wundervoller Traum. Jetzt hieß es, nach vorn zu blicken.
Im Ballsaal standen dicht gedrängt die Gäste. Jeder von ihnen hatte Tausende von Pfund für einen Abend bezahlt, der einem guten Zweck diente. Alice sah ihren Vater, der sich gerade angeregt mit jemandem unterhielt. Es konnte nur um Geschäfte gehen. Er nutzte jede Gelegenheit dazu.
Funkelnd brach sich das Licht in den riesigen Kronleuchtern. Die Tische waren mit edlem Porzellan und Kristallgläsern eingedeckt, und an jedem Platz lag ein kleines Swarovski-Souvenir als Erinnerung an den Abend. Die hochstieligen Lilien in den schlanken Vasen verströmten einen schweren Duft. In einer Ecke des Saals spielte ein Streichorchester leise klassische Musik. Als Überraschung des Abends würde eine bekannte Opernsängerin auftreten, die ihr Vater eigens für den Abend engagiert hatte.
Dem Anlass entsprechend trugen die Damen Abendroben und die Herren Smoking. Teurer Brillantschmuck glitzerte an Händen, Armen und Dekolletés. Dem Stimmengewirr und gelegentlichem Gelächter nach zu urteilen, amüsierten sich die Anwesenden bereits prächtig.
Als Alice durch die Menge auf ihren Vater zuschritt, machte man ihr aufmerksam Platz. Ein Kellner bot ihr ein Tablett mit Champagner an, und sie nahm sich ein Glas. Auf einmal ging ein Raunen durch die Gästeschar, und aller Augen wandten sich dem Eingang zu.
Dort stand ein hochgewachsener dunkelhaariger Mann. Unter seiner Lederjacke trug er ein malvenfarbenes Hemd und eine schwarze Hose. Aber nicht wegen seiner Kleidung folgten ihm die Blicke, sondern es war seine Haltung – natürliche Eleganz gepaart mit einer leichten Arroganz, die sich in seiner selbstbewussten Haltung zeigte, in seinem schwachen Lächeln und dem amüsierten Blick, mit dem er sich umschaute.
Alice blieb wie angewurzelt stehen. Sein Haar war jetzt kürzer, sehr viel kürzer, ein paar feine Fältchen zeigten sich um seine Augen, aber es gab keinen Zweifel: Es war Dante, und er ging direkt auf ihren Vater zu.
Sie bekam weiche Knie. Was tat er hier? Wo war Dr. Salvatore?
Sie blickte sich um, überlegte, zur Toilette zu verschwinden, aber da rief ihr Vater ihren Namen und bedeutete ihr, zu ihm zu kommen. Wenn sie jetzt die Flucht ergriff, würde sie sich und ihn lächerlich machen. Also holte sie tief Luft, straffte die Schultern und zwang sich zu einem Lächeln. Hatte sie nicht gelernt, mit den schwierigsten Situationen umzugehen? Und diese bekam auf der Richterskala für schwierige Situationen die höchste Stufe – zehn.
„Alice, mein Kind, ich möchte dir Dr. Dante Corsi vorstellen. Er ist einer der Vorsitzenden von Menschen in Not . Dr. Corsi, dies ist meine Tochter Lady Alice.“
Als Alice in die braunen Augen blickte, wurde alles um sie herum bedeutungslos.
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