Aerzte zum verlieben Band 48
schob er die Hände tief in die Hosentaschen, wie um sich davon abzuhalten, Alice zu schütteln. „Ach, wirklich, es tut dir leid?“ Doch dann fügte er achselzuckend hinzu: „Es spielt keine Rolle mehr. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich dachte, du wärst anders, und ich habe mich geirrt.“
Seine lässige Antwort machte Alice wütend. Okay, sie hätte ihm sagen sollen, dass sie abreisen würde, aber er hatte mit keinem Wort angedeutet, dass es mehr sein könnte als eine Urlaubsromanze.
„Du hast kein Recht, mich zu verurteilen, Dante. Du weißt nicht das Geringste über mein Leben hier.“
„Weil du es vorgezogen hast, ein Geheimnis daraus zu machen“, konterte er verächtlich. „Du hättest nicht lügen müssen.“
„Ich habe nicht gelogen“, erwiderte sie hitzig. Als er spöttisch eine Augenbraue hochzog, fügte sie hastig hinzu: „Ich habe dir nur nicht die Wahrheit erzählt.“
„Was praktisch aufs Gleiche hinauskommt. Du hättest Vertrauen zu mir haben sollen. Stattdessen hast du mir etwas vorgespielt.“
„Da bist du ja“, durchbrach Peters Stimme die spannungsgeladene Stimmung. „Ich habe dich überall gesucht.“ Auch wenn sie nicht mehr verlobt waren, so waren sie doch immer noch Freunde.
Dante blickte Peter an, und seine Augen wurden dunkler.
„Peter, dies ist Dr. Corsi. Er stellt heute Abend eine Hilfsorganisation vor.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Corsi“, sagte Peter. „Ich habe gerade erfahren, dass das Personal bereit steht, Ihnen beim Aufbau Ihrer Präsentation zu helfen.“
„ Pronto .“ Dante nickte knapp, drehte sich um und ließ Alice und Peter allein.
„Du bist ja ganz blass. Als hättest du einen Geist gesehen. Ist alles in Ordnung?“ Peter sah sie besorgt an.
In Ordnung? Nein, absolut nicht. Und ja, sie hatte einen Geist gesehen.
Alice atmete tief durch und straffte die Schultern. Irgendwie musste sie diesen Abend überstehen. „Mir geht’s gut. Drinnen war es so heiß, da hat Dr. Corsi vorgeschlagen, ein wenig an die frische Luft zu gehen. Komm, bringen wir’s hinter uns.“
Für Alice zog sich das Dinner endlos hin. Das Essen war von einem Londoner Starkoch zubereitet worden, aber man hätte ihr auch Sägespäne vorsetzen können, sie hätte keinen Unterschied gemerkt. Ab und an, wenn sie vom Teller aufschaute, fing sie Dantes dunklen Blick auf. Dann zwang sie sich zur Unterhaltung mit ihrem Tischnachbarn, obwohl ihr immer wieder die gleichen Fragen durch den Kopf gingen. Dante hatte nach ihr gesucht. Warum war er gekommen und nicht Dr. Salvatore? Hatte er ihren Namen gesehen und sich entschlossen, herzufliegen und ihr die Meinung zu sagen?
Nein, das mochte sie nicht glauben.
Nach dem Essen stand Dante auf und begab sich auf das Podest im vorderen Bereich des Raums.
Seine Präsentation griff allen Anwesenden ans Herz. Er zeigte einen Film über das Lager, das von der Hilfsorganisation betreut wurde. Magere Mütter mit erbärmlich dürren Kindern waren zu sehen. Die Kamera fokussierte auf ein winziges Kind mit großen braunen Augen.
„Was glauben Sie, wie alt das Kind ist?“, fragte Dante ins Publikum. „Zwei Jahre? Drei?“ Er machte eine Pause. „Nein, dieses kleine Mädchen ist tatsächlich sieben Jahre alt!“
Die Zuschauer reagierten hörbar betroffen.
„Auch in diesem Jahr herrscht wieder eine große Dürre im Land. Wir wissen, dass zwei Drittel der Bevölkerung in Dörfern lebt, die keinerlei internationale Hilfe erhalten. In ihrer Verzweiflung verlassen viele Menschen auf der Suche nach Nahrung und medizinischer Versorgung ihre Heimat. Sie erreichen unser Lager erst nach tagelangen Fußmärschen. Falls sie es überhaupt erreichen.“
Die Kamera streifte über das Lager, zeigte eingefallene Gesichter, die tiefe Hoffnungslosigkeit ausdrückten. „Allein in diesem Lager leben einhundertdreißigtausend Flüchtlinge, es ist eins der größten der Welt. Unser Lager ist sehr viel kleiner, aber es wird wachsen, und deswegen benötigen wir als Allererstes mehr und bessere Brunnen und medizinische Versorgung.“
Dante sprach leidenschaftlich, man sah, es war ihm eine Herzensangelegenheit. Er wirkte verändert. Was war aus dem lebenslustigen, unbeschwerten Mann geworden, den Alice in Italien kennengelernt hatte? Sein Englisch war inzwischen perfekt, auch wenn der Akzent geblieben war.
Während sie auf die Leinwand blickte, breitete sich ein erwartungsvolles Gefühl in ihr aus. Bald würde sie auch in Afrika sein. Nicht in diesem
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