AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Florenz nachzuweisen sind, war zu jener Zeit eine der mächtigsten, einflussreichsten und auch reichsten Familien Europas. Wohlhabend war man durch den Export von Wolle und Tuch, reich durch Bankgeschäfte geworden. Paläste, Villen, Landgüter konnte die Familie über mehrere Jahrhunderte erwerben. Noch heute gibt es Immobilienbesitz der Salviatis in Florenz, Pisa und Fiesole.
Den Herrn, der mit Wohlgefallen auf die reiche Nachbarstochter schielte, hielt Bianca für den Juniorchef der Firma und erwies ihm ihre Gunst, wie das wohl damals geheißen hat. Im 1809 erschienenen „Brockhaus Conversations-Lexikon“ werden die Ereignisse fantasievoll beschrieben: „Ein Handlungsdiener dieses Hauses, Namens Peter Bonaventura, bekam hierdurch öfters Gelegenheit, die ihm gegenüber wohnende schöne Bianca zu sehen, die er auch so benutzte, daß Bianca selbst anfing, auf ihn aufmerksam zu werden, in der Meinung, er gehöre in die Familie der Salviati. Bonaventura wünschte in eine nähere Bekanntschaft mit ihr zu kommen; und mit Hülfe ihrer Kammermagd gelang es ihm, sie bei Nacht zu besuchen. Die Folgen dieser nächtlichen Besuche waren von solcher Beschaffenheit, daß Bianca, um dem Zorn ihrer Eltern zu entgehen, es für das rathsamste hielt, mit ihrem Liebhaber nach Florenz zu entfliehen.“
Sie war jugendliche 15 Jahre alt, der schöne Mann mit 17 kaum älter. Das Paar war verliebt, von der Schönheit des jeweils anderen Geschlechts angetan und romantisch veranlagt. So packte Bianca ihre schönsten Kleider ein und floh mit dem Geliebten, der für sie nicht nur schön, sondern auch reich war, aus Venedig.
Beim Abschied nahm sie – zum späteren Entsetzen ihres Vaters – auch einen guten Teil des Familienschmucks mit: Gold, Edelsteine und Pretiosen. Reiseschecks waren ja noch nicht erfunden. Für diesen Diebstahl wurde die schöne Bianca in Abwesenheit von der venezianischen Gerichtsbarkeit zum Tode verurteilt, aber da war die missratene Tochter schon längst außer Reichweite der Schergen des Dogen. In einem Dorf bei Bologna fand das Paar einen Priester, der nicht nach Dokumenten fragte, aber ihnen das Sakrament der Ehe spendete.
Bianca hätte freilich klug gehandelt, vom jungen Liebhaber und nun Ehemann einen Identitätsnachweis zu verlangen. Aber einen Personalausweis gab es damals noch nicht. Aus diesem Mangel nährten sich ungezählte Verwechslungskomödien der Herren Carlo Goldoni und anderer Dichter der Commedia dell’Arte. Der vermeintlich reiche Salviati-Spross entpuppte sich als höchst einfacher Kommis mit dem bürgerlichen Namen Pietro Bonaventura. Und Bianca entdeckte nicht nur diesen fundamentalen Irrtum, sondern auch ihre Schwangerschaft.
Immerhin hatte Pietro bei der Beschreibung seiner regionalen Herkunft nicht geflunkert. Seine Eltern lebten in Florenz – durchaus bescheiden. Im Schoße der neuen Familie gebar Bianca ihre Tochter Virginia.
Als gereifte Frau scheint sie noch an erotischer Ausstrahlung gewonnen zu haben. Jedenfalls fiel das großherzogliche Auge von Francesco I. de’ Medici auf ihre wohlgeformte Gestalt. Bianca zierte sich nicht lange und wurde die Mätresse des ebenso reichen wie mächtigen Medici-Herrschers. So gelang nach der Flucht aus Venedig doch noch ein gewaltiger gesellschaftlicher Aufstieg.
Wie schön war Bianca wirklich? Die zahlreich erhaltenen Porträts zeigen, dass die Venezianerin bemüht war, den zeitgenössischen Idealen nahezukommen. Nach heutigen Maßstäben würde die Mätresse des Großherzogs nicht unbedingt als schön gelten: ein kleiner Schmollmund, große, dunkle und hervorstechende Augen, alles in allem aber ein eher schlichter Gesichtsausdruck. Jedoch in Schönheitsdingen sind die Geschmäcker eben verschieden. Bianca dürfte jedenfalls über gewisse Fähigkeiten verfügt haben, die sie zur Geliebten des Herzogs machten.
Francesco de’ Medici, 1541 geboren und damit um sieben Jahre älter als Bianca, war der Sohn des Medici-Fürsten Cosimo, dessen Herrschaft den Zenit der Macht des Florentiner Geschlechtes markiert. Cosimo übergab die Regierungsgeschäfte schon 1564 an seinen Sohn und etablierte so endgültig die Abkehr von einer „demokratisch“ legitimierten Regierungsgewalt durch die Nobilitäten des Stadtstaates. Von Papst Pius V. erhielt Cosimo den Titel eines „Großherzogs“, einschließlich einer triumphalen Krönungszeremonie in Rom. Der vollständige Übergang der Macht an seinen Sohn Francesco – ohne Widerstand der führenden
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