AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Bonaventura starb bei einem Mordanschlag. Der Großherzog war darüber nicht unglücklich. Seine Geliebte war nun Witwe.
Florenz redete darüber, aber Skandal war das keiner. Francesco musste sich viel mehr darüber Sorgen machen, dass seine Frau Johanna von Österreich keinen Thronfolger gebären konnte. Sein von ihm wenig geschätzter Bruder, Kardinal Ferdinando I. de Medici, war damit als Anwärter auf die Macht in Florenz zur Nummer eins aufgestiegen.
Unmittelbar nachdem Ehefrau Johanna 1578 im Kindbett gestorben war, heiratete Francesco seine langjährige Mätresse Bianca Cappello. Weil die vorgeschriebene Trauerzeit nicht eingehalten worden war, wurde die Vermählung offiziell erst Monate später bekannt gegeben.
In ihrem 30. Jahr schien Bianca am Ziel ihrer Wünsche: Sie war legitime Großherzogin von Florenz. Ihre Eltern versöhnten sich mit der Tochter, und die venezianische Regierung vergaß die gegen Bianca verhängte Todesstrafe und verlieh ihr stattdessen bei einem Besuch des Florentiner Großherzogs mit seiner frisch angetrauten Gattin in ihrer Heimatstadt den Ehrentitel „Tochter Venedigs“. Es wäre auch diplomatisch höchst inopportun gewesen, die Ehefrau eines Staatsgastes zu hängen.
Zur Vollendung der steilen Karriere fehlte jetzt nur noch ein männlicher Erbe. Doch dieser wollte sich nicht einstellen. Bianca versuchte auch in dieser Situation, dem natürlichen Lauf der Dinge etwas nachzuhelfen. Drei schwangere Frauen wurden gefunden, in den Palast gebracht und als Leihmütter engagiert. Im Falle der Geburt eines Sohnes sollte das Neugeborene sofort dem Auftraggeber übergeben werden. Der Betrug glückte. Unter Mitwirkung einer Hebamme simulierte Bianca die Gebärende. Schließlich befand sich ein neugeborener Säugling im Palast. Der Zufall wollte es, dass die Hebamme und die drei engagierten Leihmütter kurz darauf starben.
Es heißt, dass Francesco von dem Betrug nichts wusste, allerdings kamen ihm Gerüchte zu Ohren. Also glaubte er, was er nicht wissen sollte. Jahre später erkannte er den kleinen Antonio als ehelich geboren an.
Die Affären an der Spitze des Staates blieben dem Volk und den um Macht und Einfluss wetteifernden Familien nicht verborgen. Bianca wurde „geschnitten“. Kardinal Ferdinando de’ Medici beförderte den schlechten Ruf seiner Schwägerin. Es ging schließlich um viel: seine Thronfolge. So geriet der Kirchenmann im Oktober 1587 schnell unter Verdacht, den überraschenden Tod seines Bruders Francesco im Lustschloss Poggio a Caiano unstattgemäß befördert zu haben. Ferdinando ließ, um den Verdacht eines Mordes zu zerstreuen, eine Obduktion durchführen, nach der von den Renaissance-Ärzten Malaria als Todesursache angegeben wurde. Das schien gut zum ebenso überraschenden Tod seiner Gemahlin Bianca zu passen. Die ehemalige Geliebte überlebte den Großherzog nur um wenige Stunden. Der fast gleichzeitige Tod des Herzogspaares war sehr praktisch für seine Eminenz, den Kardinal.
Während er seinen Bruder mit allen Ehren und allem Prunk bestatten ließ, verweigerte der Kirchenfürst Bianca das Recht, neben und mit ihrem Gemahl begraben zu werden. Die Venezianerin wurde unbekannten Orts verscharrt.
Mord oder natürlicher Tod? Durch die Jahrhunderte wechselten Meinungen und Theorien. Erst im Jahr 2006 brachten italienische Gerichtsmediziner der Universität Florenz Licht ins Dunkel der Gruft. Francesco Mari und Aldo Polettini konnten nach einer Graböffnung und der Zuordnung von Leberresten mittels DNA-Analysen feststellen, dass Francesco bei seinem Tod eine signifikant erhöhte Arsen-Konzentration in der Leber aufwies. In ihrer Conclusio, die im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurde, schreiben die Wissenschaftler: „Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung entsprechen der Hypothese, dass der Großherzog und seine Frau Opfer einer akuten Arsen-Vergiftung wurden.“ So wurde nach 400 Jahren ein längst verjährter Kriminalfall gelöst. Der Herzog und seine Frau starben an Gift.
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Pina Marzi Ciotti, Die Frauen aus dem Hause Medici, Firenze 2003.
Ilaria Hoppe, Vortrag „Die Hochzeit von Großherzog Francesco I. de’ Medici und der Signora Bianca Cappello von 1579“, MEFISTO (Medici-Frauen Interdisziplinär: Soziale Rollen, kultureller Transfer, mäzenatisches Œuvre); Institut für Europäische Geschichte Mainz (IEG); Kunsthistorisches Institut der Johannes Gutenberg Universität Mainz,
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