AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Kaisers“, als wäre er dabei gewesen: „Ehe Mademoiselle George Gelegenheit hatte, sich in dem märchenhaften Zimmer umzusehen, ging neben dem Kamin eine Tür auf, und er stand vor ihr: Napoleon Bonaparte, Erster Konsul der Franzosen, wie er sich damals nannte, auffallend klein und in grüner Uniform mit rotem Kragen und roten Ärmelaufschlägen, über seiner Stirn hing eine verwegene Haarlocke.“
Napoleon eröffnet das Konversationsgeplänkel: „Madame, Sie waren wunderbar!“ Das Kompliment des mächtigen Korsen stürzt die 16-Jährige in holde Verlegenheit. „Wie Sie vielleicht bemerken, bin ich netter und höflicher, als Sie es sind. Hatte ich Sie nicht schon einmal beklatscht? Hatte ich Ihnen nicht nach der Vorstellung von ‚Emilie‘ als Beweis meines Vergnügens 3000 Franc zukommen lassen? Ich hatte gehofft, Sie würden mich bitten, sich dafür persönlich bedanken zu dürfen. Aber die hübsche und hochmütige Emilie kam nicht.“
Die Schauspielerin spielt auch diese Rolle perfekt. Sie gibt sich verlegen, stammelt, lacht und bittet um Verzeihung. Der spätere Kaiser fragt nach ihrem Namen. „Marguerite-Joséphine.“ Er will sie „Georgina“ nennen. Sie ist glücklich, will eine etwas intimere Lichtstimmung. Der Diener kommt, löscht die Hälfte der Kandelaber. Der Erste Konsul und die junge Schauspielerin plaudern. Sie erzählt aus ihrem Leben, von den geliebten Eltern, der Schauspielausbildung in Paris und ihrem Verehrer, dem polnischen Prinz Sapieha.
Und darum rankt sich die nächste Anekdote, die Vandenberg in seinem Buch beschreibt. Napoleon bewundert die exquisite Garderobe seiner künftigen Favoritin. „Von meinem Geld?“, fragt er wenig galant. George schüttelt den Kopf. „Ein anderer Mann?“ Die Geliebte des Ersten Konsuls gesteht. „Fürst Sapieha aus Polen – von ihm sind Schal und Schleier.“ Das erträgt der General nicht. Wütend zerreißt er das Spitzentuch und befiehlt den Diener Constant in die Garderobe seiner Frau.
Joséphine Bonaparte, Tochter eines Hafenkapitäns von der Karibikinsel Martinique, muss die nächsten Jahre nicht nur ihre teuren Roben mit Fräulein George teilen, sondern auch gleich ihren Ehemann. Es ist besser für die Frau Gemahlin, wenn sie die Geliebte ignoriert und Napoleons Großzügigkeit nicht kommentiert. Denn der General finanziert das Luxusleben der jungen Schauspielerin mit aberwitzigen Beträgen. Am 2. November 1803 scheint der Erste Konsul besonders zufriedengestellt worden zu sein. Mademoiselle George erinnert sich in ihren erst 1908 veröffentlichten Memoiren: „An diesem Abend schob mir der Konsul ein dickes Bündel Banknoten in den Ausschnitt.“ George dürfte bald nachgezählt haben. Es waren 40.000 Franc.
An jenem ersten Abend passiert noch gar nichts. Das ungleiche Paar verplaudert die Nacht, bis fünf Uhr morgens. „Georgina“ verspricht, am nächsten Tag wiederzukommen. Zum Abschied ein Liebesgeständnis: „Ich liebe Sie von ganzem Herzen.“ Am nächsten Tag ein neuer Versuch. Wieder wartet die Kutsche. Wieder geht es nach Saint-Cloud. Napoleon will zur Sache kommen: „Schau, Georgina, lass mich Dich lieben. Ich wünsche mir von Dir totales Vertrauen. Es stimmt schon, Du kennst mich kaum, aber es braucht oft nicht einmal eine Minute, um jemanden zu lieben.“ Das Mädchen erweist sich für den General als schwierige Festung. In ihren – Jahrzehnte später formulierten – Erinnerungen antwortet Mademoiselle (alt)klug: „Arme Mädchen werden rasch genommen und ebenso rasch wieder vergessen. Für Sie sind es Spielzeuge, die Sie ein bisschen mehr, ein bisschen weniger amüsieren. Obwohl Sie der Erste Konsul und der mächtigste Mann des Landes sind, ich beabsichtige nicht, Ihr Spielzeug zu sein.“ – „Aber wenn Sie mein allerliebstes Spielzeug wären, würden Sie keinen Grund zur Beschwerde finden“, wird der Herrscher Frankreichs deutlich. George verspricht, am nächsten Tag wiederzukommen, nach der Vorstellung. Auf dem Spielplan der „Comédie-Française“ steht „Cinna“, eine Tragödie von Pierre Corneille. Napoleon kommt zu spät. George muss ihren Monolog ein zweites Mal sprechen. Der Konsul applaudiert begeistert, das Publikum folgt seinem Führer. Nach der Vorstellung schaukelt die junge Dame ein drittes Mal in den Pariser Vorort. „Er zog mich Stück für Stück aus. Er tat es wie eine Zofe mit Fröhlichkeit, Würde und dezent. Wie könnte eine Frau von solch einem Mann nicht fasziniert sein. Er wurde klein
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