AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Städten auf und kehrt nach elf Jahren im Ausland als reife Frau wieder nach Paris zurück.
Ihr ehemaliger Geliebter Napoleon hat in der Zwischenzeit Europa erobert, sich von Gattin Joséphine getrennt, mit der polnischen Gräfin Maria Walewska einen Sohn gezeugt, sich zum Kaiser aufgeschwungen und schließlich sein Waterloo erlebt.
Mademoiselle George hat die Weltgeschichte nur noch aus der Distanz beobachtet. Sie mag sich gelegentlich an die zwei Jahre als Geliebte des damals mächtigsten Mannes der Welt erinnern. Sie bewies sich als unabhängige Frau, als selbstbewusste Gespielin für Männer sonder Zahl. Doch wer spielte mit wem?
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Paul Arthur Cheramy, A Favourite of Napoleon. Memoirs of Mademoiselle George, edited, from the original manuscript, Charleston 2010.
Philipp Vandenberg, Die Frühstücksfrau des Kaisers, Bergisch Gladbach 2007.
Ludwig I. und Lola Montez
Nummer 16 in der Schönheitengalerie
„Und hätte die Welt sich wider Dich verschworen, ich trete in die Schranken wider sie; Du gehst meinem Herzen nicht verloren, Du bleibst darin, ich lasse von Dir nie.“ Bayerns König Ludwig I. war ein Poet, jedenfalls fühlte er sich als solcher und versuchte die laute Kritik an seiner wahrhaft skandalösen Affäre mit einer Tänzerin wegzureimen. Es gelang ihm nicht. Der Monarch verliert seine Macht, seine Geliebte und seine Würde.
Die unglaubliche Geschichte spielt im München des Vormärz – also in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es gibt noch kein Deutsches Reich. Bayern ist eine Monarchie, die Wittelsbacher regieren. Ludwig I. von Bayern ist keine düstere Figur der Geschichte. Als junger Kronprinz hängt er einer freiheitlich-patriotischen Gesinnung an. Er glüht in seiner Begeisterung für Kunst, Architektur und Literatur, schreibt leidenschaftliche Gedichte und sieht sich selbst als „teutscher“ Patriot, der aber gleichzeitig für die Eigenständigkeit und Souveränität seines Königreichs kämpft. München ist noch keine Weltstadt mit Herz, aber Ludwig I. prägt das Bild der Stadt mit zahlreichen Neubauten. Den Beinamen „Athen an der Isar“ verdankt München König Ludwig und seinen zahlreichen Bauten für die holde Kunst. Es ist ein gewaltiges Arbeitsbeschaffungsprogramm. Der König lässt die Alte Pinakothek, das Odeon bauen, legt den Grundstein zur Allerheiligen-Hofkirche und zu vier weiteren Kirchenbauten, denn katholisch ist München auch. Er vergrößert die Residenz und die Staatsbibliothek und finanziert diesen Bauboom zu einem guten Teil aus seinem Privatvermögen und den Überschüssen des bayerischen Staatsbudgets. Denn so großzügig der König in Kunst investiert, so knauserig ist er bei anderen Ausgaben. Golo Mann beschreibt die Finanzpolitik: „Ludwig als der oberste Verwalter sparte, wo er nur konnte, nicht nur beim Hofe, dessen Küche als die schlechteste unter ihresgleichen in Europa galt, auch draußen am Lande. Es fehlte in den Kreisen an allen Ecken und Enden, zu wenige Beamte, zu schlecht bezahlt und ohne Altersversorgung, zu wenige Lehrer, zu wenige Schulen, zu geringe Fortschritte im Straßenbau, kurzum, höchst unbefriedigende Verhältnisse.“
Unter der scheinbar ruhigen Oberfläche beginnt es zu brodeln. Die deutschen Einigungsbestrebungen finden auch in Bayern viele Anhänger. Die Rufe nach Mitbestimmung, nach verbrieften Freiheitsrechten werden lauter. An den Universitäten formieren sich Korps und Burschenschaften. Sie verstehen sich als gesellschaftliche Avantgarde: reden, streiten, fechten und trinken für ein einiges deutsches Vaterland. Studenten, Professoren und Bürger werden bei den Revolutionen des März 1848 buchstäblich auf die Barrikaden gehen.
König Ludwig I. von Bayern hat die Vorboten einer neuen Zeit schon länger gespürt und mit Repression reagiert. Unter dem Eindruck der Pariser Juli-Revolution des Jahres 1830 war der König zum Konservativen geworden, aber er liebt die Menschen, das Leben und schöne Frauen, sammelt ihre Porträts und freut sich über Gunstbezeugungen. Für die sogenannte „Schönheitengalerie“ im Schloss Nymphenburg lässt er von seinem Hofmaler Joseph Karl Stieler die hübschesten Damen Münchens und Umgebung porträtieren. Es ist, wie es der Münchner Historiker Hans Michael Körner formuliert, „ein bildlicher Beweis der Schwärmerei des Königs für weibliche Schönheit“. Das Bildformat ist vorgegeben, die Reihung der Porträts erfolgt nach Rang und Stand. Die Frage, wer denn die Schönste im
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