AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Schönheitengalerie des Königs Modell zu sitzen.
Es muss „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen sein. Schon Tage nach der Audienz beginnt Ludwig I. die verhängnisvolle Affäre mit Frau Montez. Er hat Feuer gefangen und wird zum Protektor und Mäzen der Künstlerin. Einem Freund gesteht der bayerische Herrscher die Nebenwirkungen der wiederentdeckten Leidenschaften: „Esslust und Schlaf verlor ich zum Teil, fiebrig heiß wallte mein Blut, in des Himmels Höhen hob es mich, meine Gedanken wurden reiner, ich wurde besser.“
Das Münchner Publikum ist von den tänzerischen Fähigkeiten des neuen „spanischen“ Stars nicht so entflammt wie der König. Es reagiert mit „unerwarteter Kälte“ auf die Montez. Möglicherweise solidarisiert sich auch die bessere Münchner Gesellschaft mit der Königin. Immerhin ist Ludwig I. seit 36 Jahren mit Therese Charlotte Luise von Sachsen-Hildburghausen verheiratet. Die beliebte Königin hat vier Söhne und vier Töchter zur Welt gebracht und so ihre dynastischen Pflichten mehr als erfüllt. Und jetzt erliegt der König den Reizen einer Tänzerin, deren schlechter Ruf ihr nach München nacheilt. Lola Montez beeilt sich, den vielen Skandalen ihrer Lebensgeschichte neue hinzuzufügen. Ihre Quartiergeberin steht im Sold der bayerischen Geheimpolizei und bespitzelt die irische Spanierin. Sie soll Männerbesuche empfangen. Der König tut solche Informationen als böse Gerüchte ab und beginnt, in sein Notizbuch Liebesgedichte in spanischer Sprache zu schreiben: „Ich liebe dich mit meinem Leben, meinen Augen, meiner Seele, meinem Körper, meinem Herzen, meinem ganzen Ich. Schwarzes Haar, anmutige Gestalt …“
Lola Montez muss tatsächlich besondere Fähigkeiten gehabt haben. Der alternde König lässt Vorsicht, Vernunft und Anstand fallen. Während der Porträtsitzungen hockt er auf dem roten Sofa, parliert spanisch und lässt sich von Lola Montez auf der Gitarre vorspielen. Kaum sechs Wochen nach der ersten Audienz verspricht er der Tänzerin die ungeheure Summe von 100.000 Gulden, falls Lola bis zum Tode des Königs unverheiratet bliebe. Zusätzlich sollte sie eine jährliche Apanage von 10.000 Gulden erhalten. Der König bezahlt seine Mätresse fürstlich. Für ihre Dienste erhält sie das Mehrfache eines Ministergehalts. Und damit der bayerische Herrscher seine Geliebte auch standesgemäß besuchen kann, schenkt er ihr ein einstöckiges Palais in allerbester Lage. Dort zieht Lola Montez keine neun Monate nach ihrem Eintreffen in München ein. Es ist der Höhepunkt einer steilen Karriere. Münchens bürgerliche Gesellschaft hat nur ein Thema: Lola Montez. Die Kurtisane des Königs unterwirft sich keinerlei Konventionen. Sie flaniert in Begleitung eines großen schwarzen Hundes – angeblich eine Mischung aus Boxer und Bulldogge – durch München, sie raucht in der Öffentlichkeit, lässt sich von Scharen junger Männer begleiten, flucht laut und attackiert brave Ortsansässige mit ihrer Peitsche, auch dies ein Markenzeichen der Frau Montez. Als der Münchner Polizeidirektor gegen sie einschreiten will, versetzt ihn Ludwig I. strafweise in die bayerische Provinz.
Den Neid der Damen stachelt sie auf, weil sie den teuren Schmuck trägt, den ihr der sonst so knauserige Monarch geschenkt hat. Auf den König trifft das Sprichwort zu: blind vor Liebe. Während Königin Therese selbst um einen neuen Wintermantel bitten muss – und der König so lange zögert, bis die Gattin eines Münchner Bierbrauers der Königin das schöne Stück vor der Nase weg kauft –, überhäuft er die Mätresse mit Pretiosen. Bis zum Ende der Affäre wird der König – auf heutigen Wert gerechnet – fast zweieinhalb Millionen Euro für Lola Montez ausgegeben haben.
Die Karikaturisten haben das Objekt ihrer spitzen Federn gefunden, der liebestolle alte König und die „spanische Fliege“ oder der „schwarze Teufel“. Lola ist die „bayerische Pompadour“. Die Affäre beginnt auch politische Geschichte zu schreiben. Der König verlangt von seiner bayerischen Regierung, der Mätresse die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Das geht dem Kabinett dann doch zu weit. Der konservative Minister Karl von Abel weigert sich. Der König ist empört. Doch die Minister geben dem Druck ihres Monarchen nicht nach. Das gesamte Kabinett droht mit dem Rücktritt, bittet um Entlassung.
Am 1. März 1847 stolpert die unter dem Einfluss der katholischen Kirche stehende königlich bayerische Regierung über Lola
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