Akasha 02 - Der Attentäter
blauer Wasserpflanzen neigten sich in den Zonen der sanften Strömung hin und her.
Soweit DeTschenri wußte, war die Enklave der Riir eins der wenigen Habitate, das sich nicht ständig um die eigene Achse drehte, und wenn das Kosmotop Akasha auf seiner langen Reise durch die Sternenräume in die Nähe eines Sonnensystems geriet, mußten die Außenflächen des langen Zylinders von eigens dafür konstruierten Servomechanismen abgeschirmt werden, um ein zu starkes Aufheizen der Stahl- und Kunststoffhülle zu verhindern. Das bedeutete auch, daß in dieser maritimen Welt ständig Schwerelosigkeit herrschte, auch an den Innenflächen des Zylinders und nicht nur in dessen »Nabe«. Diese Bedingungen und die relative Wärme des Wassers begünstigten ein kolossales Wachstum der smaragdgrünen und kirschroten Korallen, die in vielen anderen Habitaten Akashas sehr begehrt waren. Der Ergtraktor steuerte den Kokon DeTschenris daran vorbei, und der Mann im Innern schüttelte andeutungsweise den Kopf angesichts dieser Verschwendung von Reichtum. Die Riir – die intelligenten Anemonen – erlaubten nur eine sehr begrenzte Verwertung ihrer Korallen, und das war etwas, was DeTschenri nur schwer nachvollziehen konnte. Vielleicht gab es, überlegte er, irgendeine Möglichkeit, die Riir zu beeinflussen. Doch welche Wünsche mochten Anemonen haben? Er nahm sich vor, mit Vandenbrecht darüber zu reden.
Der Traktor steuerte den Kokon auch in die Nähe eines mit schweren Stahlnetzen und Ergprojektoren abgesicherten Bereiches, und aus einem der Geräte flüsterte eine erklärende Stimme. »... wird die Aggressivität der Stachler nur noch von ihrer Freßgier übertroffen ...« Ein Teil der energetischen Kokonwand verwandelte sich in eine Linse mit Teleskopeffekt, und DeTschenri sah jenseits der Barriere ein Geschöpf, das so groß war wie ein mittleres Haus und aus dessen hakenförmigem Leib Myriaden von mehr als zehn Metern langen Giftstacheln ragten. Er stellte sich vor, wie Abenteuerlustige aus anderen Habitaten Jagd auf die Stachler machten – es gab viele Leute, die nichts lieber taten, als ihr Leben aufs Spiel zu setzen, eine Neigung, die ihm schon immer ein Rätsel gewesen war –, und sie waren bereit, große Summen dafür zu zahlen, diesem Laster ungestört frönen zu dürfen. Er merkte sich für die nächste Besprechung mit Vandenbrecht einen zweiten Punkt vor, als der Kokon sich von dem Stahlnetz abwandte und erneut den Touristen der Ausflugsgruppe folgte.
Einige Besucher dieses Habitats hatten ihre Kokons miteinander verbunden und veranstalteten eine Orgie inmitten des grünblauen Glanzes. Andere wieder zogen es vor, nur mit archaischen Gummianzügen bekleidet und Sauerstoffpatronen in Mund und Nase durch das Algendickicht zu schwimmen. Hier und dort blitzte der Scheinwerfer einer Holokamera. Als er ungefähr eine Viertelstunde unterwegs gewesen war, drehte sich DeTschenri auf die Seite. Einige hundert Meter entfernt schwebten die Kokons der Simulacren, und begleitet wurden sie von einer zweiten Reisegruppe. DeTschenri wartete, bis sie hinter einem Vorhang aus aufsteigenden und wie silberne Perlen aussehenden Luftblasen verschwunden waren, und betätigte dann die Taste des Codegebers. Als er anschließend nach den Reglern des Traktors griff, ließen sie sich ohne Schwierigkeiten bewegen.
Rasch steuerte er den Kokon tiefer und durch eine Lücke zwischen zwei großen und bunten Korallenkolonien. Im Sichtschutz dieser Gebilde, die aussahen wie zwei gewaltige filigrane Gespinste, veränderte er den Kurs ein zweites Mal und betätigte anschließend die Taste des Codegebers dreimal rasch hintereinander. Es klickte, und das kleine Gerät übermittelte eine ganz bestimmte Datenfolge in den Speicher des Controllers. Die Regler des Traktors verriegelten sich wieder, und der Kokon glitt schneller dahin.
DeTschenri nickte zufrieden und verstaute den Codegeber in einer Tasche seiner Jacke. Wenn es zu einer Überprüfung der in das Ergfeld integrierten Instrumente kam, so würde niemand, nicht einmal ein Reparateur, Hinweise auf eine Manipulation des Kurscontrollers finden können, und die Chela im Denkenden Heim Shangratz Pis mußten davon ausgehen, daß der so unerwartet eintreffende Besucher bereits kontrolliert worden war, bevor man ihm das Transportmittel zur Verfügung gestellt hatte. Er nahm sich die Maske ab, die sich daraufhin zu einem kleinen grauen Fladen zurückbildete, den er sich hinter den Gürtel klebte.
Der Ergkokon
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