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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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nur ab, um die Spuren zu verwischen, sondern verknüpfte damit weiter reichende Pläne. Vielleicht hat er Bubenzow erst auf die Idee gebracht, die kopflosen Leichen gegen die Syten zu verwenden. (Erregung im Saal) Selig ist ein vorausschauender Mensch. Bevor er ein Verbrechen beging, traf er jedes Mal Vorsichtsmaßregeln. Als er sich auf den Weg machte, um die Wonifatjews zu töten, trug er für alle Fälle den Havelock und die Schirmmütze seines Chefs. Er könnte ja gesehen werden. Und er wurde gesehen! Und ganz sicher war es Selig, der in der Nacht, in der Poggio ermordet wurde, Dshurajew betrunken machte. Es war für ihn ein Leichtes, sich für ein Stündchen zu entfernen, während der Tscherkesse in der nächsten Kneipe trank.
    Vorsitzender: › Es war für ihn ein Leichtes ‹ ist aber kein Beweis.
    Lissizyna: Sie haben Recht, Euer Ehren. Aber wenn Sie mir erlauben . . . (geht zum Tisch mit den Beweisstücken und nimmt das Photostativ; tritt zu Bubenzow) Wladimir Lwowitsch, bitte strecken Sie die Hände vor. (Der Angeklagte Bubenzow sitzt unbeweglich und blickt die Nonne an. Dann streckt er die gefesselten Hände über die Barriere.) Versuchen Sie, das Stativ mit den Fingern zu umfassen. Sehen Sie, meine Herren? Er hat zu kleine Hände. Er hätte das schwere Stativ einfach nicht fest genug halten können, um einen Stoß von solcher Gewalt zu führen. Daraus folgt, dass er Poggio nicht getötet hat.
    Tumult im Saal. Rufe: › Das stimmt! ‹ , › Tüchtig, die Nonne! ‹ und dergleichen. Der Vorsitzende läutet das Glöckchen.
    Lissizyna: Erlauben Sie mir noch eine Demonstration. (tritt mit dem Stativ zu dem Angeklagten Selig) Nun probieren Sie es, Tichon Jeremejewitsch.
    Selig versteckt die Hände, die bislang auf dem Geländer der Barriere lagen, rasch hinter dem Rücken. Viele im Saal springen auf. Der Vorsitzende läutet das Glöckchen.
    Lissizyna: Das Stativ ist so kompakt, dass ein gewöhnlicher Mann es nicht zu umfassen vermag, Herr Selig jedoch hat außergewöhnlich große Hände. Ihm macht das keine Schwierigkeit . . . Ich habe noch eine Bitte an das Gericht. Wäre es möglich, bei Herrn Selig eine Leibesuntersuchung vorzunehmen? Vor allem seine rechte Hüfte und den Oberschenkel genau zu betrachten. Als mir in Drosdowka im Park jemand einen Sack über den Kopf warf, habe ich den Angreifer zweimal mit meinen Stricknadeln ins Bein gestochen. Ziemlich tief. Die vier Einstiche müssen noch zu sehen sein.
    Selig (springt auf und krächzt) : Hexe! Hexe!

Der schwarze Mönch
    Nachdem Schwester Pelagia gesprochen hatte, wurde die Verhandlung fortgesetzt, aber der Ausgang stand fest, und die Aufmerksamkeit des Publikums irrte ab. Selig wurde zur Leibesuntersuchung hinausgeführt, und richtig – er hatte auf der rechten Hüfte vier rosa Punkte. Es kam zwischen den Parteien nicht zu Diskussionen, denn der Staatsanwalt war von den jähen Wendungen etwas abgestumpft, und der Verteidiger sah recht zufrieden aus: Um seinen Mandanten stand es nicht schlecht, und für das Schicksal Seligs fühlte er sich nicht verantwortlich.
    So seltsam es ist, aber Selig begann nicht zu weinen und zu winseln. Auf die Frage, ob er sich schuldig bekenne, die Morde begangen zu haben, schüttelte er nur den Kopf. Er saß mit unbewegtem Gesicht, hielt die Augen halb geschlossen und schien weder die Frage des Richters noch die Antwort der Geschworenen, noch das Urteil zu hören. Sein runzliges Gesichtchen hatte sich geglättet und sogar eine gewisse Bedeutsamkeit gewonnen. Bubenzow hingegen wirkte ausgesprochen nervös; er rutschte auf seinem Platz hin und her, blickte bald zu seinem Sekretär, bald mit gerecktem Hals zu Schwester Pelagia, und sein Gesicht hatte einen verdutzten, ja, dümmlichen Ausdruck. Die Nonne saß da, ohne bis zum Ende der Verhandlung ein einziges Mal die Augen zu heben, so dass sie Bubenzows Verhalten wahrscheinlich gar nicht wahrnahm.
    Das Urteil verwunderte niemanden. Tichon Selig, der sich nicht schuldig bekannt und das geraubte Geld nicht zurückgegeben hatte, wurde zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Bubenzow wurde freigesprochen, und schon eine Stunde später verließ er unsere Gouvernementshauptstadt, in den Augen der meisten mit Schande bedeckt, von einigen Frauen insgeheim beweint.
    Nach und nach kam Sawolshsk wieder zur Ruhe, so, als wäre ein Stein in einen Teich gefallen und hätte das Wasser aufgewühlt. Spritzer schossen auf, Wellen zogen Kreise, aber bald verebbten sie, das Wasser besänftigte

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