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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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machte eine Pause, womit er zu verstehen gab, dass gleich das Wichtigste folgen würde. »Sagen Sie, Herr Verteidiger, in wen war Naina Telianowa verliebt, in Dshurajew oder in Bubenzow?«
    Das Publikum erfasste den Sinn der Frage nicht sofort, aber Lomejko erbleichte und zupfte sich den Bart.
    »Die Toten, Herr Advokat, vermögen auch Zeugnis abzulegen. Gott der Herr hat ihnen eine solche Kraft verliehen. Über all Ihren Wortspielen haben Sie das Wesentliche außer Acht gelassen: Naina Telianowa hätte so Aberwitziges – Stillschweigen über die vergrabenen Köpfe, Tötung der Hunde – nur für den Mann getan, den sie von ganzem Herzen liebte. Aber nicht für den unkultivierten Tscherkessen, den Sie uns so hartnäckig als den Mörder präsentieren. Was sagen Sie dazu? Wer sieht hier den Wald vor lauter Bäumen nicht?«
    Es verging eine halbe Minute, eine Minute. Die juristische Koryphäe schwieg. Der Saal hielt den Atem an, denn alle fühlten, dass sich in diesen Augenblicken der Prozess entschied.
    Da wandte sich Mitrofani zum erstenmal an den Angeklagten und fragte scharf:
    »Und was sagen Sie darauf, Herr Verbrecher?«
    Bubenzow fuhr hoch und öffnete den Mund, um zu antworten, aber in diesem Moment geschah etwas, das auch Mitrofani nicht voraussehen konnte.
    »Aaaah!«, ertönte ein gellendes Geschrei, genauer, Geheul, und Tichon Selig, der bislang mucksmäuschenstill dagesessen hatte, so dass man ihn schon fast vergessen hatte, lief um die Barriere der Anklagebank herum zur Saalmitte.
    Er plumpste auf die Knie, verneigte sich dreimal bis zum Boden vor dem Gericht, den Geschworenen und den Zuschauern und wurde von einem krampfhaften Schluchzen geschüttelt. Zwei Polizisten fassten ihn unter den Armen und versuchten ihn auf die Füße zu stellen, doch er wollte partout nicht aufstehen, so dass sie ihn zur Anklagebank zurückschleifen mussten.
    »Sündig bin ich durch und durch!«, greinte der übergeschnappte Sekretär. »Weh mir Verruchtem!«
    Der Richter läutete drohend das Glöckchen, und Selig verneigte sich wieder bußfertig.
    »Euer Barmherzigkeit«, schluchzte er. »Lassen Sie mich ein aufrichtiges Wort sagen.«
    Er wandte sich seinem Banknachbarn zu, faltete die Hände wie zum Gebet und rief:
    »Bekennen Sie Ihre Schuld, Wladimir Lwowitsch! Vergeben Sie mir Schwachkopf, aber ich habe keine Kraft mehr. Viel Sünde haben wir beide auf uns geladen, oh, so viel! Seine Bischöfliche Gnaden haben die Wahrheit gesprochen von den bösen Menschen, genau das sind wir allzumal. Bei Gott dem Allmächtigen flehe ich Sie an, bereuen Sie!«
    Die Polizisten mussten Bubenzow an den Schultern packen und konnten selbst zu zweit den wutbleichen Inspektor kaum festhalten, was aufs überzeugendste Mitrofanis Worte von der Kraft nervlicher Raserei bestätigte.
    Der Bischof schritt hoheitsvoll zu seinem Platz. Ihm wurde nicht applaudiert, das wagte man nicht, doch die respektvolle Stille, die den Geistlichen begleitete, war triumphaler als jede Ovation.
    »Sie möchten eine Aussage machen?«, fragte der Vorsitzende.
    »Ja, das möchte ich!« Selig fuhr sich mit dem Ärmel über das tränennasse Gesicht. »Ganz und gar offenherzig! Ich will die Seele erleichtern!«
    Er stand auf und hob mit zitternder Stimme an:
    »Wahrlich, das Böse ist allüberall, und ich bin sein ruchloser Diener. Schuldig ist Wladimir Lwowitsch, Herr Bubenzow, an all diesen schrecklichen Morden, er hat getötet. Aber auch ich habe gefehlt und bin schuldig, sintemal ich geschwiegen, vertuscht und Vorschub geleistet habe – aus Schwäche und aus Angst um mein Leben!«
    Bubenzow riss sich mit solcher Kraft los, dass die Polizisten zur Seite flogen, aber ihnen kamen noch zwei zu Hilfe, und zu viert zwangen sie den Tobenden auf den Platz zurück. Bewegen konnte er sich nicht mehr, aber er rief:
    »Bist du verrückt geworden, Unterleibchen?«
    »Da sehen Sie’s«, sagte Selig und flog am ganzen Leib. »Auch jetzt überfällt mich ein Zittern, wenn ich seine Stimme höre. Wahrlich, er ist der Satan. Voller Verlockung und Verführung. Ihm ist eine große Macht über Menschen gegeben. Und ich Wurm habe der Versuchung nicht widerstanden, als ich begriff, was für Fittiche ihn trugen. In diese friedliche Stadt ist er eingefallen, um sie in Staub, Asche und Stöhnen zu verwandeln – und alles zu seiner eigenen Erhebung. Er wollte zu den Gipfeln irdischer Macht aufsteigen, und dafür hätte er vor nichts Halt gemacht. Er sagte zu mir: › Unterleibchen, halte dich

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