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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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an meinem Rockschoß fest und lass nicht los. Ich werde mich emporschwingen und dich mitnehmen. ‹ Aber er sagte auch: › Pass auf, Unterleibchen, wenn du dich gegen mich stellst, zerquetsche ich dich wie eine Laus. ‹ Und er hätte mich zerquetscht, er ist so ein Mensch. Er hat mich benebelt und eingeschüchtert, hat mich verleitet, und ich wurde sein treuer Hund. Niedrig und gemein habe ich gehandelt, Sünde getan. Das Einzige, womit ich mich nicht besudelte, sind Mord und Totschlag, aber auch das nur wegen meiner schwachen Nerven . . .«
    Selig konnte vor Schluchzen nicht weitersprechen, so dass ihm der Gerichtsdiener Wasser geben musste. Als er sich etwas beruhigt hatte, fuhr er fort.
    »Er machte noch Späße und spottete: › Über einen Ehrgeizigen sagt man, dass er über Leichen geht, aber ich klettere wirklich über diese Leichen nach ganz oben. ‹ Ich könnte noch viel darüber erzählen, wie er die unglücklichen Syten gequält und eingeschüchtert hat. Und ich hab’s ihm nachgetan, wollte mir seine Anerkennung verdienen . . . Und mit den Wonifatjews war es so. Wladimir Lwowitsch hat schreckliche Schulden, noch von früheren Zeiten her. Hier, in Sawolshsk, ist er einherstolziert wie ein Löwe, aber in Petersburg ist er eher wie ein Hase herumgehuscht, musste sich vor seinen Gläubigern verstecken. Das war auch seiner Karriere abträglich, der Oberprokuror persönlich hat ihn ins Gebet genommen, dass sich derlei nicht ziemt für einen Synodalbeamten. Und als wir nun bei der Generalswitwe in Drosdowka wohnten, kam das Gespräch auf den angereisten Kaufmann. Wladimir Lwowitsch nahm mich beiseite und flüsterte: › Frag den Sytnikow, wie viel er für den Wald haben will. ‹ «
    »Was lügst du da zusammen?«, rief Bubenzow außer sich vor Wut, und der Richter verwarnte ihn: Noch ein Wort, und er werde aus dem Saal geführt.
    »Was soll ich jetzt noch lügen?« Selig blickte sich ängstlich nach seinem einstigen Gönner um. »Jetzt muss ich die Wahrheit sagen. So ist das. Wie er erfuhr, dass Wonifatjew dreißigtausend bekommen wird, vielleicht auch vierzigtausend, glühten seine Augen. Ich saß da und dachte mir nichts weiter dabei. Als Sytnikow nach dem Streit mit Wladimir Lwowitsch wegging, sagte der zu mir: › Geh ihm nach und bitte ihn, mir nicht böse zu sein, und frage ihn auch gleich, ob er seinen Gast nicht herbringen will, wär doch interessant, sich so einen Wilden anzugucken. ‹ Ich dachte, es geht ihm um die Sache, denn er wollte ja den Altgläubigen zu Leibe rücken. Erst später hatte er die Eingebung, sich die Heiden vorzunehmen. Also, ich komme zurück und berichte ihm: Nein, er bringt den Altgläubigen nicht her. Der Kaufmann will nach Abschluss des Handels gleich weiter, trotz der späten Stunde. Aha, sagt Wladimir Lwowitsch, er schien das Interesse verloren zu haben. Nachts klopfte ich an seine Tür, denn mir war da eine Idee gekommen, eine lästerliche Idee, was für eine, sage ich nicht, denn ich schäme mich, und es tut auch nichts zur Sache. Also, ich klopfte, klopfte, er machte nicht auf. Zuerst habe ich mich gewundert, alldieweil er einen leichten Schlaf hat. Aber dann dachte ich mir, dass er bestimmt bei dem Fräulein schläft.«
    Selig wischte sich mit seiner Pranke die Stirn und trank einen Schluck Wasser.
    »Und wie ich am Morgen zu ihm kam, sah ich, dass sein Havelock nass war, vor Tagesanbruch hatte es geregnet. Aber ich maß dem dazumal keine Bedeutung bei. Ein paar Tage vergingen, die Leichen ohne Kopf wurden gefunden, und Wladimir Lwowitsch hat sofort vom Opferritual der Syten geredet. Er kannte sich mit ihrer Religion und ihren Sitten so gut aus, dass ich nur gestaunt habe. Und natürlich hab ich mich auch gefreut. Das kam ja unserm Auftrag entgegen . . .«
    Der Redende stockte.
    »Nein, ich will hier nicht heucheln. Es soll wie bei der Beichte sein. An mir nagte der Wurm des Zweifels, von Anfang an. Es läuft alles zu glatt, habe ich mir gedacht. Als ob uns der Beelzebub in die Hand spielt. . . Dass Wladimir Lwowitsch den Leichen selber die Köpfe abgeschnitten haben könnte, ist mir natürlich nicht in den Sinn gekommen. Aber nun hat sich eins zum andern gefügt, und ich musste an Sytnikow denken, an das leere Zimmer und den nassen Havelock . . . Auch das mit dem Photokünstler ist jetzt verständlich. Deshalb hat er Murad betrunken gemacht, niemand sonst. Damit ich ihm nicht im Wege bin, sondern die ganze Nacht wie ein Hündchen hinter dem Murad herlaufe, von einer

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