Alarm auf Burg Schreckenstein
als alles perfekt war. „Bitte Platz nehmen zu ,Spaghetti Castell Rosa’“, wie sie das Gericht in ihrem Phantasie-Italienisch nannte.
Dampfwalze und Ingrid gaben die Teigwaren aus, Stephan und Beatrix übergossen sie mit der dicken Soße. Die meisten saßen schon hinter ihren Tellern um den steinernen Richtertisch und wickelten sich die Gabeln voll, da unterbrach Klaus.
„Halt! Zuerst machen wir die Freundschaftsgirlande. Jeder nimmt in jeden Mundwinkel ein Ende von einem Spaghetti, das andere Ende nimmt sein Nachbar und so weiter. Bis der Kreis geschlossen ist.“
„Und dann zuzeln alle“, rief Martina.
„Genau“, antwortete der Witzbold und griff mit den Händen zu, um zwei Spaghetti-Enden zu finden. Die anderen folgten seinem Beispiel. Es war etwas umständlich, aber eine Riesengaudi, und bis die Girlande sich schloß, landete mancher Tropfen Tomatensoße auf mancher Hose. Als jeder mit seinen beiden Nachbarn verbunden war, konnte keiner mehr sprechen. Klaus gab ein Zeichen und das große Zuzeln begann. Die Girlande wurde strammer, alle beugten die Köpfe vor und rückten zusammen. Das geschah so geräuschvoll, daß es durch die dicke Tür der Folterkammer nach außen drang, und dort zwei ungebetenen Gästen das Wasser im Mund zusammenlief. Denn auch die Düfte der köstlichen Soße waren hinausgedrungen, bis hinauf in das zur Hofseite offene Gewölbe.
„Mann! Die schlagen sich die Bäuche voll und wir sitzen hier im Dunkeln“, flüsterte Mini-Ritter Eberhard dem kleinen Kuno zu.
„Daran bist du schuld!“ antwortete der. „Wären wir dabeigewesen, wie sie das ausgemacht haben, wären wir jetzt auch dabei. Aber du warst ja aus der Orgel nicht mehr rauszukriegen.“ Und er legte sein Ohr an das riesige Schlüsselloch, um wenigstens zu hören, wie gut es schmeckte, denn einfach hineinzugehen, das traute er sich nicht. Entweder man war von Anfang an dabei oder man hielt sich raus. So war das auf der Burg.
Zunächst hörte der kleine Kuno nur Laute des Wohlbehagens — Aaaa! und Oooo! und Iiii! — bis eine Mädchenstimme sagte: „Eines steht fest: Zurück rudern wir heute nacht nicht mehr!“
Die Bemerkung wurde mit begeistertem Grunzen aufgenommen, bis eine andere Stimme unterbrach: „Geht nicht. Wir haben die Kleider für die Hochzeit doch drüben.“
Ein langgedehnter Laut des Bedauerns drang heraus und brachte den kleinen Kuno offenbar auf eine Idee. „Jetzt machen wir auch einen Streich“, flüsterte er Mini-Ritter Eberhard zu und rannte die steile Treppe hinauf.
Drinnen war die Spachtelei in vollem Gang, jeder kämpfte für sich allein mit den endlosen Teigwaren.
„Das ist, wie wenn man an einer Pipeline nuckelt“, klagte Andi.
„Du meinst hoffentlich an den Rohren, nicht am Rohöl, denn den Vergleich ließ ich auf meiner Soße nicht sitzen“, antwortete Konstanze. Während die meisten der Spaghetti mit Gabel und Löffel Herr zu werden versuchten, aß Stephan nur mit einer Hand. Die andere bewegte er, bei aufgestütztem Ellenbogen, so auffällig hin und her, daß Beatrix, die ihm auf einem der steinernen Richtersessel gegenübersaß, sie bemerken mußte. Das war zumindest seine Absicht. Stephan hatte sich das gefundene Armband ums Handgelenk gelegt. Doch Beatrix sah vor Spaghetti nichts anderes.
„Wie spät ist es eigentlich?“ fragte er schließlich. „Meine Uhr scheint stehengeblieben zu sein.“
Da sah sie auf, sah seine Hand, die er hin und her schwenkte, und sah daß das Gold glänzte und die Steine im Kerzenlicht funkelten. Wie ein Kaninchen auf die Schlange starrte sie auf das Armband. „Was... was hast du denn da um?“
„Ach“, sagte Stephan nebenbei, „weißt du, das ist mein Talisman. Den hat mir die Horn mal geschenkt.“
Beatrix ließ die Gabel in die Spaghetti sinken. Sie konnte keinen Satz mehr zu Ende sprechen, stammelte nur noch: „Wo, wann und wie?“ Die anderen Mädchen wurden aufmerksam, kamen näher und erkannten das Armband. Stephan erzählte nun die Geschichte, daß sie nur so staunten, vor allem über Fräulein Horn, die eigenhändig im Duschraum danach gestochert hatte.
Ingrid faßte sich als erste. „Diese falsche Natter!“ schimpfte sie. „Aber jetzt kann sie ja gar nichts mehr machen! Das hättet ihr uns auch eher sagen können.“
Wie gewohnt, war es ihr Bruder, der ihr widersprach. „Das hätten wir euch nicht früher sagen können. Das ist nichts für fremde Ohren. Das geht nur uns hier an.“
„Weiß es die Horn schon?“
Weitere Kostenlose Bücher