Alarm in Sköldgatan
und Kollberg, der sein Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden und einen Teil seiner Aufmerksamkeit auf die falsche Seite gerichtet hatte, fühlte, wie die Schneide direkt unter den Rippen in die linke Seite seines Zwerchfells drang. Wie ein heißes Messer in Butter, sagt man immer, dachte Kollberg, und genauso fühlte es sich an. Er bog sich vornüber über das Messer, immer noch im vollen Bewußtsein, was er tat und warum er so handelte. Er wußte, daß er den anderen damit einige Sekunden aufhalten würde. Wie viele? Vielleicht fünf oder sechs.
All das geschah, während Skacke vollständig überrascht seine Pistole hob und mit dem Daumen den Sicherungshebel herunterdrückte.
Dann hatte Malghagh, oder wie er nun hieß, sein Messer wieder herausgezogen. Kollberg fiel gekrümmt vornüber, den Kopf eingezogen, um die Halsschlagader zu schützen. Als das Messer wieder hochfuhr, drückte Skacke ab.
Die Kugel traf Lasalle, oder wie er nun hieß, mitten in die Brust. Er taumelte rückwärts, und das Messer flog aus seiner Hand, und dann blieb er auf dem Rücken auf dem Marmorfußboden liegen.
Die Szene hatte etwas Theatralisches: Skacke stand mit ausgestrecktem Arm da und hielt die Mündung der Pistole nach dem Rückstoß immer noch schräg nach oben gerichtet, der Mann im Shantunganzug lag mit ausgebreiteten Armen platt auf dem Rücken, und zwischen beiden lag Kollberg, zusammengekrümmt und beide Hände gegen die linke Seite des Zwerchfells gepreßt. Alle anderen standen stocksteif, noch hatte keiner zu schreien begonnen.
Dann sprang Skacke zu Kollberg, fiel auf die Knie, immer noch mit der Pistole in der Hand, und fragte atemlos:
»Wie sieht's aus?«
»Schlecht.«
»Warum hast du mir zugeblinzelt? Ich hab geglaubt…«
»Du warst gerade dabei, den dritten Weltkrieg auszulösen«, flüsterte Kollberg. Und dann brachen Panik und Chaos los, mit Geschrei und Gerenne, wie immer, wenn alles vorbei ist.
Aber für Kollberg war es noch nicht vorüber. Im Krankenwagen, der mit heulenden Sirenen zum Hospital nach Mörby raste, überfiel ihn eine ungeheure Angst vor dem Sterben. Dann blickte er zu dem Mann im Shantunganzug, der auf einer Bahre nur einen Meter von ihm entfernt lag. Der Mann hatte den Kopf auf die Seite gelegt und sah Kollberg mit angstvollen Augen an, in denen schon der Tod zu lesen war. Er versuchte, die Hand zu bewegen, wahrscheinlich um das Kreuzzeichen zu machen, aber das einzige, was er noch schaffte, war ein kurzes Zucken.
Ha! Du stirbst, bevor du die letzte Salbung, oder wie das nun heißt, bekommst, du linkshändiger Schuft, dachte Kollberg unchristlich.
Er hatte recht. Der Mann starb, noch bevor sie das Krankenhaus erreichten. Gerade als der Ambulanzwagen langsamer wurde, klappte sein Unterkiefer herunter, und eine gelbliche Flüssigkeit rann aus seinem Mund.
Kollberg hatte immer noch große Angst vor dem Sterben.
Und ganz zuletzt, kurz bevor er das Bewußtsein verlor, dachte er: Das ist unfair. Ich hab mich nie besonders um diesen verdammten Fall gekümmert. Und Gun wartet doch…
»Stirbt er?« fragte Skacke.
»Nein«, antwortete der Arzt. »Daran jedenfalls nicht. Aber er wird sich kaum vor einem oder zwei Monaten bei Ihnen bedanken können.«
»Bedanken?«
Skacke schüttelte den Kopf und ging hinüber zum Telefon. Er hatte Viele Gespräche zu führen.
Buch
Ein Mann erschießt sich. Neben dem Selbstmörder liegt ein Zettel mit dem Namen „Martin Beck“. Kurz darauf gerät in der Sköldgatan ein Haus durch eine Explosion in Brand. Die meisten Bewohner können gerettet werden, da die Polizei einen der Mieter beschattete: Den Autodieb Göran Malm, der in den Flammen ums Leben kommt. Die Obduktion ergibt, dass Malm den Gashahn in seiner Wohnung öffnete. Ein weiterer Selbstmord also. Doch dann entdecken die Experten vom Branddezernat Reste eines Zeitzünders in Malms Matratze, und auf Kommissar Beck und seine Kollegen wartet plötzlich eine Menge Arbeit…
Autoren
Maj Sjöwall , 1935 in Stockholm geboren, studierte Graphik und Journalismus und arbeitete für verschiedene Zeitschriften. Sie lebt heute als Übersetzerin in Stockholm.
Per Wahlöö , 1926 im schwedischen Lund geboren, machte nach dem Studium der Geschichte als Journalist Karriere. In den fünfziger Jahren ging er nach Spanien und wurde 1956 vom Franco-Regime ausgewiesen. Nach verschiedenen Reisen um die halbe Welt ließ er sich wieder in Schweden nieder und arbeitete dort als Schriftsteller. Per Wahlöö starb 1975
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