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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Muenster
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die Gefahr der Hybris. Nur wer das Geheimnis der ureigentlichen Wahrheit in den wechselnden Mustern und Symmetrien des Lebens ahnt, weiß, was er tut.“
    Ein weiteres Problemfeld, in dem Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben von höchster Aktualität ist und mit der er sich – wie beschrieben – selbst schon intensiv beschäftigt hat, ist die
Atomtechnologie
. Dabei geht es nicht allein um die Existenz nuklearer Waffen, gegen die Schweitzer mahnend seineStimme erhoben hat. Es geht auch um die sogenannte „friedliche“ Nutzung der Atomkraft. Atomkraftwerke sind keineswegs, wie immer wieder behauptet wird, eine sichere, saubere, umweltfreundliche Technologie. Manche tun so, als hätte die Katastrophe von Tschernobyl nie stattgefunden. Und immer noch ist das Problem der Endlagerung des atomaren Restmülls ungelöst. Wir haben es hier mit hochgefährlichem Abfall zu tun, der auch in Jahrtausenden noch seine tödliche Strahlkraft haben wird. Wie problematisch die Lagerung in ausgedienten Salzstöcken ist, hat sich unlängst wieder in aller Deutlichkeit gezeigt. Auch das Thema der nuklearen Massenvernichtungsmittel ist längst nicht vom Tisch. Jüngste internationale Abrüstungsbemühungen sind löblich, aber nur ein erster und ganz kleiner Schritt hin zum fernen Ziel einer atomwaffenfreien Welt, die der amerikanische Präsident Obama im Blick hat – ein mutiges, notwendiges Zeichen! Doch wir wiegen uns in falscher Sicherheit, wenn wir glauben, die Gefahr einer atomaren Katastrophe sei ein für allemal gebannt. Immer noch lagern zahllose Nuklearwaffen einsatzbereit in den Arsenalen der Atommächte. Und ihre Produktion verschlingt weiterhin nicht verantwortbare Summen von Geld, die zur Lösung humanitärer Probleme so viel sinnvoller verwendet werden könnten. Das Vernichtungspotenzial der Atomwaffen reicht nach wie vor dazu aus, die Menschheit mehrfach auszurotten und dem irdischen Leben irreversible Schäden zuzufügen. Dass politisch unberechenbare Staaten wie Nordkorea oder der Iran sich anschicken, eigene Atombomben zu produzieren, verschärft das Problem. Pakistan und Indien, die beiden nicht gerade verbrüderten Nachbarstaaten verfügen über nukleare Vernichtungswaffen. Dieses Damoklesschwert schwebt nach wie vor über den Köpfen der Menschheit, und seit dem erstmaligen kriegerischen Einsatz dieser Waffen vor über sechzig Jahren gegen diejapanischen Städte Hiroshima und Nagasaki hat uns die Politik mehrfach in Situationen geführt, in denen wir erkennen mussten, wie gefährlich dünn der Faden ist, an dem das todbringende Schwert hängt. Die Kuba-Krise 1963, mehrfache technische Pannen in den jeweiligen Frühwarnsystemen haben uns nicht nur einmal an den Rand der atomaren Katastrophe geführt.
    Mir ist immer noch lebhaft eine Szene vor Augen, die sich nach dem terroristischen Anschlag auf den Nord- und Südturm des World-Trade-Centers in New York am 11. September 2001 abspielte. Im Fernsehen wurden Filmausschnitte einer aufgebrachten Menschenmenge gezeigt, die in menschlich verständlicher Wut nach Vergeltung für den blindwütigen Zerstörungsakt verlangte, der mehr als 3 000 Menschenleben kostete. Einige der erregten Demonstranten verlangten gar danach, mit einem atomaren Vernichtungsschlag gegen die Urheber des Anschlags zu antworten. Im Visier der Vergeltung waren Afghanistan und der Iran, die beiden Länder also, gegen die auf Präsident G. W. Bushs Geheiß (und auf der Grundlage von Lügen) wenig später militärisch vorgegangen wurde. Es gab damals Pressegerüchte, dass die Bush-Administration selbst den Einsatz sogenannter taktischer Atomwaffen erwogen habe, bevor sie sich doch für eine „nur“ konventionelle Kriegsführung entschied. Nicht auszudenken, was andernfalls geschehen wäre! Zudem ist zu beachten, welche unkalkulierbare Gefahr es bedeuten würde, wenn Terroristen die Verfügungsgewalt über atomare Waffen oder „schmutzige“, atomar verseuchte Bomben erlangen …
    Schlagen wir den Bogen zurück zu Schweitzers ethischem Grundanliegen. Selbst wenn es gelänge, in gemeinsamer Anstrengung die Abschaffung aller Nuklearwaffen vertraglich zu vereinbaren und verpflichtend zu machen: Das Wissen um die Herstellung der Massenvernichtungsmittel ist nicht mehr abzuschaffen.Es wird, solange es Menschen auf diesem Planeten gibt, verfügbar und damit jederzeit wieder aktivierbar sein. So bleibt eigentlich nur ein Weg, wenn uns eine humanere, gerechtere, friedfertigere Zukunft beschieden sein

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