Albert Schweitzer
Vorwort
Er begleitet mich schon lange. Die erste Begegnung mit der Person und dem Werk Albert Schweitzers reicht zurück in meine Grundschulzeit (Volksschule nannte man das damals), knapp fünf Jahrzehnte ist das nun her. Ich las erstmals vom Tier- und Menschenfreund im Urwald.
Die zweite Begegnung war geistig schon intensiver: Sie fiel in meine Konfirmandenzeit. Unser Pfarrer Küstermann, ein damals junger Mann, der uns zu begeistern wusste, berichtete während einer der Unterrichtsstunden in der einjährigen Vorbereitungszeit, dass Albert Schweitzer gestorben sei, und erzählte ein wenig aus seinem Leben. Er fragte uns, ob nicht jemand bereit sei, für die nächste Stunde ein kleines Referat vorzubereiten. Ich ging auf diese Anfrage ein, beschäftigte mich erstmals etwas tiefer mit Schweitzers Denken und seinem Werk in Lambarene. Während des Studiums begegnete mir hin und wieder sein Name, doch eher am Rande: Andere Denker, bedeutende Pädagogen vor allem, standen auf dem Lehrplan des angehenden Lehrers.
Begegnung Nummer drei: Zu unserer Hochzeit im Jahr 1975 schenkte mir meine Frau die fünfbändige Ausgabe der „Gesammelten Werke“. Ich begann, Schweitzer tiefer zu entdecken, setzte mich intensiver vor allem mit seinen ethischen Gedanken auseinander. Dann standen Familie und Beruf im Vordergrund, das Interesse an Schweitzer beschränkte sich auf gelegentliche Lektüre, diese allerdings mit großer Betroffenheit und zunehmender Verehrung.
Schließlich die Mitgliedschaft im „Deutschen Hilfsverein“ für Lambarene, die zeitweise Mitarbeit im Vorstand. Eine wertvolle Zeit. Sie führte auch dazu, dass ich nun selbst Vorträge über Albert Schweitzer hielt, dabei viele interessante Begegnungen mit Gleichgesinnten, aber auch Kritikern erlebte.
Seitdem hat er hat mich nicht mehr losgelassen, der große Menschen- und Schöpfungsfreund aus dem nahen Elsass. Ich habe mich gründlich in sein Werk einzulesen versucht, Bücher, Aufsätze über ihn gelesen, die Filme über ihn genossen. Die Übereinstimmung von Denken und Handeln, die sich bei ihm findet, ist beispielhaft. Bei aller Kritik an Albert Schweitzer, auf die zurückzukommen sein wird, bleibt meine Bewunderung für den großen Elsässer ungebrochen. Er ist eines der großen Vorbilder meines Lebens. Neben Jesus und Franziskus hat Albert Schweitzer meinen geistigen Werdegang, meine Einstellung zum Leben, meine Berufsauffassung am nachhaltigsten geprägt, und der umfangreiche Nachlassseines Werkes wird wohl dafür sorgen, dass ich auch in Zukunft noch manches von dem großen alten Mann werde lernen dürfen.
Ein Buch abschließen zu können, ist immer auch mit dem Gefühl der Dankbarkeit verbunden. Ich danke meiner Familie, meinen Eltern. Und ich danke den Mitarbeitern des Verlags Neue Stadt, die mich trotz Verzögerungen meinerseits stets freundlich ermuntert haben.
Peter Münster
Albert Schweitzer in New York
Einstimmung:
Was für ein Mensch!
„Auf die Frage, ob ich pessimistisch oder optimistisch sei, antworte ich, dass mein Erkennen pessimistisch und mein Wollen und Hoffen optimistisch ist.“
Diese Selbstcharakterisierung Albert Schweitzers findet sich im Schlusskapitel seiner Autobiografie „Aus meinem Leben und Denken“, die er im März 1931 in Lambarene abschloss. Den hier angesprochenen Spannungsbogen zwischen einem Pessimismus, den ihm die Erkenntnis der Welt auferlegte, und dem Optimismus, den er aus der Kraft schöpfte, Gutes tun zu dürfen und zu können, hat er selbst ausführlicher erläutert:
„Pessimistisch bin ich darin, dass ich das nach unseren Begriffen Sinnlose des Weltgeschehens in seiner ganzen Schwere erlebe. Nur in ganz seltenen Augenblicken bin ich meines Daseins wirklich froh geworden. Ich konnte nicht anders, als alles Weh, das ich um mich herum sah, dauernd mitzuerleben, nicht nur das der Menschen, sondern auch das der Kreatur … Auch in der Beurteilung der Lage, in der sich die Menschheit zurzeit befindet, bin ich pessimistisch.“
Das klingt sehr hoffnungslos und gar nicht nach Lebensoptimismus, Lebensbejahung, ließe man es so allein stehen. Die Unausrottbarkeit des Elends und Bösen in der Welt; die harte Wirklichkeit des Fressens und Gefressenwerdens, wie sie sich uns in der irdischen Natur offenbart; die drohende sittliche Verrohung und geistige Abstumpfung unter den Völkern – all dies hat Schweitzer in klarster Erkenntnis wahrgenommen. Und diese Erkenntnis musste ihn pessimistisch stimmen.
„Dennoch bleibe
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