Albert Schweitzer
Gehrock machen, in dem du vor einem König spielen willst? – Dann sagte er mit sorgenvollem Gesicht: Ich will mein Möglichstes tun. – Es wurde ein wirklich schöner Gehrock; solide war er gemacht, und ich habe ihn immer zu allen großen Gelegenheiten getragen. Natürlich habe ich ihn nicht hier, sodass ich ihn dir nicht zeigen kann; in Afrika wird er ja nicht gebraucht. Ich bewahre ihn in Günsbach auf. Aber ich trug ihn, als ich Theodor Heuss, den jetzigen Präsidenten von Westdeutschland, 1908 in St. Nicolai in Straßburg traute, als ich dort Pfarrer war. Natürlich trug ich ihn auch, als ich in Edinburgh Vorlesungen hielt, als ich den Goethe-Preis bekam, als ich den Nobelpreis erhielt und als die Königin von England mir einen Orden verlieh, und Theodor Heuss sagte, als er ihn das letzte Mal sah: Schau mal, Albert, du siehst wirklich elegant aus. Du musst in Günsbach einen sehr guten Schneider haben. – Hier unterbrach ich ihn: Sie wollen damit sagen, dass Sie noch den gleichen Gehrock tragen? – Natürlich! – Er strahlte über das ganze Gesicht. Das Ding taugt noch für zweihundert Jahre.“
Auch die obligatorische schwarze Fliege war einst Auslöser eines bezeichnenden Schweitzer-Bonmots. Einer wohlhabenden amerikanischen Besucherin in Lambarene schien dieser altmodische Halsschmuck des Doktors missfallen zu haben. Geduldig wies Schweitzer sie darauf hin, dass schon sein Vater das ehrwürdige Stück bei Trauungen und anderen feierlichen Anlässen getragen habe. Sie gab sich damit nicht geschlagen und wies den damals Sechzigjährigen darauf hin, sie kenne Männer in Amerika, die hundert Krawatten zur Verfügung hätten. Schweitzer blickte sie erstaunt an und erwiderte gespielt ungläubig: „Hundert Krawatten – für
einen
Hals?“
Auch hinsichtlich des Themas Bildung zeigte sich Schweitzer als Meister der feinen (Selbst-)Ironie. Richard Kik, ein enger Freund Schweitzers, selbst Sonderschulrektor und bis zu seinem Tod im Jahre 1969 Herausgeber des „Rundbriefes“, schreibt: „Als ich von einem Aufsatz über Elefanten berichte, meint der Doktor: Ja, am Aufsatz kann man am besten feststellen, was für ein Kerl einer ist, ob etwas in ihm steckt. Aber ich würde bei Prüfungen nicht nur einen, sondern drei Aufsätze schreiben lassen, und zwar Aufsätze, wo die Burschen frisch von der Leber weg schreiben können, weißt du, ohne Disposition. Ein Aufsatz mit Disposition, Einleitung usw. ist mir immer so vorgekommen, als würde man einem Affen im Urwald vorschreiben, von welchem Ast er auf den nächsten klettern darf.“
Um eine Titelgeschichte über den Urwalddoktor zu schreiben, besuchte der SPIEGEL-Redakteur Claus Jacobi den alten Schweitzer in Lambarene. In seinem Bericht findet sich folgende Passage: „Als ich Albert Schweitzer in Lambarene begegnete, rührte der 85-Jährige, auf dem Boden hockend, in einem Marmeladen-Eimer Zement für das Fundament einer Eingeborenenunterkunft an. Gleichzeitig gab er ein paar schwarzen Helfern Anweisung, wie sie zwei Balken für die Hütte verzapfen sollten. ‚Wieso wissen Sie das alles?‘, fragte ich den Doktor der Philosophie, Theologie und Medizin. Der ‚größte Mensch des Jahrhunderts‘ (so Albert Einstein über den Urwaldarzt) blickte vom Marmeladen-Eimer auf: ‚Weil ich gebildet bin.‘ “
Und noch eine „Bildungsanekdote“. Schweitzer, der sich durch Bescheidenheit und gesunden Humor auszeichnete, antwortete einem Neugierigen auf die Frage, wie er zu seinen drei Doktorhüten gekommen sei: „Ach, das geschah eigentlich ganz folgerichtig. Den dritten Doktorhut bekam ich, weil ich bereits zweihatte, den zweiten, weil ich bereits Doktor war, und den ersten erhielt ich, weil ich noch keinen hatte.“
Das Kapitel wäre unvollständig, fänden nicht auch die von Schweitzer geliebten Tiere darin ihren Platz. Tiere gehörten in Lambarene wie selbstverständlich zur dörflichen Spitalgemeinschaft – als Bewohner oder Patienten. Schweitzer wollte den schwarzen Patienten und ihren Angehörigen im Spital Lebensbedingungen bieten, die ihren gewohnten Alltagsumständen möglichst nahekamen. Walter Munz erzählte in einem der „Berichte aus Lambarene“ (28/1964) von einem äußerst ungeselligen tierischen Mitbewohner und Schweitzers selbstironischem Verständnis: „Alle Tiere im Spital sind verträglich und zutraulich, nur der cholerische Truthahn nicht, der den Hofplatz bewacht. Jeder hat Ärger mit ihm, doch der Patriarch nimmt ihn in Schutz: ‚Pardon,
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