Albertas Schatten
Männern« helfen, sich in New York leichter einzugewöhnen und Gleichaltrige kennenzulernen. Fansler hatte sich murrend damit abfinden müssen, daß auch die Anwältinnen sowie einige der »Part-nerinnen« seiner eigenen Teilhaber eingeladen wurden. Einmal war da ein junger Mann mit seiner »Verlobten« gekommen – hätte es eine andere Bezeichnung für sie gegeben, so hätte Fansler sie nicht hören wollen –, einer Ärztin, die auf Bitten hin die Einführung eines Herzkatheters durch die Femoralarterie so detailliert beschrieb, daß jedem der Appetit verging. Aber all dies war Vergangenheit, dachte Toby, und wohl kaum Fanslers Problem.
»Janice meint, wir sollten meine Schwester bitten«, sagte Fansler aufstöhnend.
»Aber ihr ladet sie doch immer ein«, sagte Toby, »und sie kommt nie.«
»Ich weiß, ich weiß, aber dieses Jahr hatten wir uns überlegt, ihren Mann einzuladen – du weißt doch, Amhearst. Er lehrt an der Columbia Law School, und unsere Partner meinen, wir sollten ruhig Verbindungen zur Fakultät pflegen, besonders wenn es sich um einen Verwandten handelt. Janice ist natürlich einverstanden.«
Wie vieles andere in dieser schnellebigen Welt hatte Laurence Fansler die Tatsache akzeptiert, daß seine Neffen und sogar eine oder zwei seiner Nichten inzwischen Rechtsanwälte oder Ärzte waren oder bei Goldman Sachs arbeiteten und daher zu seiner Party eingeladen werden mußten. Aber seine Schwester einzuladen war für den engstirnigen Fansler dasselbe, als hätte Caesar Brutus zum Brunch gebeten.
»Ich glaube, du übertreibst, Larry«, sagte Toby. »Kate und Reed sind gar nicht so übel. Das Schlimmste, was du wahrscheinlich über sie sagen kannst, ist, daß sie 1984 Mondale und Ferraro gewählt haben.«
»Genau«, donnerte Fansler.
»Du könntest versuchen, dich daran zu erinnern, daß wir hier ein Zweiparteiensystem haben, auch wenn das vielleicht nicht immer spürbar ist«, sagte Toby und stand auf, um zu zeigen, daß das Gespräch beendet war. »Wie auch immer; warum sich Gedanken machen? Ich bin sicher, daß sie sowieso nicht kommen.«
»Das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer«, sagte Fansler, und sein Gesicht hellte sich auf.
Auf Anweisung ihres Mannes verschickte Janice Fansler die Ein-ladungen, darunter auch eine an Mr. und Mrs. Reed Amhearst. Sie wußte ganz genau, daß Kate ihren Mädchennamen beibehalten hatte, aber sie fand solche Dinge übertrieben modisch und verrückt und lehnte es ab, sie zur Kenntnis zu nehmen. Nachdem sie die Einla-dungen abgeschickt und den Partyservice benachrichtigt hatte, der solche Gesellschaften für sie ausrichtete, wandte sie ihre Gedanken anderen Dingen zu.
Die Einladung war an Reed an der Columbia Law School gerichtet, und er betrachtete sie mit leicht gequälter Belustigung. Er hörte schon, wie Kate entschieden ablehnte hinzugehen. Sollte er trotzdem versuchen, sie zu überreden?
Als er einige Stunden später die Wohnungstür aufschloß, war er entschlossen, es zu versuchen. Kate, die gerade die Telefonrechnung mit jenem Ausdruck von Befremden und Grauen ansah, der jeden überkommt, der mit so etwas konfrontiert ist, reichte ihm das vierzehn Seiten dicke Schriftstück. »Hat irgend jemand in letzter Zeit mal über Brieftauben nachgedacht?« fragte sie.
»Dein Bruder und deine Schwägerin von Darwin Darwin et cete-ra haben uns zu ihrer alljährlichen Party für die Kanzleimitglieder eingeladen. Meinst du, du könntest möglicherweise hingehen?«
»Du hast getrunken«, sagte Kate. »Und das sogar, bevor du nach Hause gekommen bist. Ein schlechtes Zeichen. Ist das akademische Leben so viel beschwerlicher als der ruhige und stetige Trott in der Staatsanwaltschaft?«
»Sie haben dich als Mrs. Reed Amhearst eingeladen. Ich dachte, du könntest vielleicht als Kate Fansler hingehen und beobachten, wie die andere Hälfte sich aufführt. Wir würden junge Leute treffen, die Fanslers und andere. Das macht doch immer Spaß.«
»Ich hätte gedacht, du siehst genug junge Leute in der Law School. Erinnere dich an Jane Austens Beschreibung solcher Parties: eine Mischung aus jenen Leuten, die sich nie zuvor begegnet sind, und anderen, die sich zu oft begegnen. Reed, ich möchte nicht advo-katenhaft erscheinen, aber sind wir nicht übereingekommen – man könnte es sogar einen mündlichen Vertrag nennen –, daß wir einander nicht in unsere jeweiligen langweiligen gesellschaftlichen Verpflichtungen hineinziehen wollen? Wenn du zu der Party meines Bruders
Weitere Kostenlose Bücher