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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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oder Ställen abgestellt. In der Dunkelheit sah der Ort fast aus wie das Bauerndorf vor fünfzig Jahren, aber in die Reihen der warm beleuchteten Fenster brach das kalte, unruhige Licht der Fernseher.
    Fast immer wurde ich gegrüßt, meist auch von den Kindern, schwäbisch-älblerisch – ich war über jedes Wort glücklich, das ich hörte.
    Die Generation unter dreißig kannte mich nicht oder vielleicht nur vom Hörensagen. Hier fühlte ich mich wohler. Ältere, die mich sofort erkannt hätten, sah ich wenige – man sieht daran, wie alt man geworden ist. Die Altersgenossen waren tot oder blieben in ihren Stuben.
    Von irgendwoher wummerten die Bässe einer Stereoanlage. Sonst war von der Jugend wenig zu bemerken.
    »Lohnt es sich, das anzuschauen, Tigerfeld?« Ein junger Mann, noch nicht dreißig, arbeitete an einer Kartoffelerntemaschine.
    »Sieht doch sehr schön aus, vieles gerichtet.«
    Ich merkte erst jetzt, dass ich vor einem besonders heruntergekommenen ehemaligen Viehstall stehen geblieben war.
    »Ja, aber das kostet auch, das kannst du dir kaum vorstellen«, sagte er.
    Ich überlegte. Gewisse Ähnlichkeiten gibt es bei vielen Tigerfelder Familien. Dass er mich mit du angeredet hatte, sagte nichts.
    »Es kommt doch aber nun bald der große Geldregen nach Tigerfeld«, erwiderte ich.
    Ich wunderte mich. Die Bauern hier oben sind wortkarg und reden nicht auf der Straße mit jedem Fremden, auch ein junger nicht.
    Er grinste verlegen und wechselte zum Sie. »Ja, es heißt, Sie selbst könnten es zu einem guten Schluss bringen, Herr Dr. Fideler.«
    Er kannte mich! Zumindest wusste er, weshalb ich hier war.
    »Und was ist ein guter Schluss?«
    »Das wissen Sie besser als unsereiner.«
    »Und für Sie, was ist für Sie ein guter Schluss?«
    Die Sonne ging auf in seinem Gesicht. Darauf hatte er gehofft, dass er mir das sagen durfte.
    »Das Windrad muss kommen. Unbedingt.« Er sagte es hastig, mit rotem Gesicht.
    »So, muss es? Und warum?«
    »Sie müssen uns helfen. Sie sind doch der Metreo –«, er stockte, »der Windmensch. Sie sind doch Herr Dr. Fideler?«
    »Meteorologe, zwei e, drei o, ein e«, belehrte ich ihn. Ich kann das manchmal nicht lassen.
    »Sie sind doch da wegen dem Windrad«, sagte er eifrig.
    »Was soll ich es abstreiten?« Ich lächelte.
    Er musste die Vorgeschichte um meine Person kennen. Wahrscheinlich seit er denken konnte.
    »Und du? Deine Eltern kenne ich sicher.« Ich wechselte zum Du, weil ich es im Ort seit jeher so gewohnt war.
    »Ich heiße Jörg Fuchslocher.«
    Fuchslocher. Ich kannte ihn und seine Familie. Sein Großvater war der alte Fuchslocher, Dominikus Fuchslocher; er war in meiner Kindheit der Schmied in Tigerfeld gewesen. Er beschlug die Rösser, wie man hier oben sagt. Auch sonst schmiedete er alles, was man schmieden kann, an den Leiterwägen, an den Bindemähern, an den Dreschmaschinen, am Gartentörle, an den Aufhängungen der Stallketten der Kühe, er zog Eisenreifen auf Wagenräder. Er reparierte auch Autos und Traktoren. Ein überaus geschickter Handwerker, der es in jedem entsprechenden Betrieb in der Stadt als Werkmeister weit gebracht hätte.
    Sein Sohn Hermann hatte von ihm die Werkstatt übernommen und war sehr erfolgreich geworden.
    Aber als ich etwa fünfzehn war, geschah im Winter etwas Furchtbares. Es wurde noch Jahre davon geredet. Am Traktor des Schulzen Mattheis gab die Bremse nach, was im flachen Tigerfeld an sich nicht zu einem so schlimmen Unglück hätte führen müssen.
    Aber der Mattheis Schulz hatte den Traktor im Schneidergarten abgestellt, einer der steilsten Stellen im Tigerfelder Esch, um dort Apfelbäume zu schneiden oder zu fällen und zu Kleinholz zu machen. Seinen dreijährigen Sohn Martinle hatte er mitgenommen, warm eingepackt mit Schal und dicker Wollmütze, die Mutter lag mit Fieber im Bett. Schnee war noch keiner gefallen.
    Martinle saß im gelben Gras und spielte Klötzchen mit Baumsplittern. Da löste sich plötzlich die Bremse am Traktor, und das Ungeheuer fing an sich zu regen, die gewaltigen Räder rollten auf das Kind zu, das die Zurufe des Vaters – vielleicht wegen der dicken Mütze – nicht hörte und weiterspielte. Mattheis stand auf seiner Leiter und musste als Vater schreiend mit ansehen, wie sein kleiner Sohn überrollt wurde. Das Kind war tot.
    Die Suche nach dem Schuldigen wurde von den Behörden nach wenigen Wochen eingestellt; niemandem war ein Versagen nachzuweisen: dem Mattheis nicht und dem Schmied Hermann Fuchslocher

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